Die DramaQueen Storymodelle
Was sind Storymodelle?
Die DramaQueen Storymodelle beschreiben grundlegende Handlungsverläufe von Geschichten. Sie führen durch den inneren Bogen der Story – vom ersten Impuls bis zur Transformation der Hauptfigur – und geben so wertvolle Einsichten darüber, wie eine bestimmte Geschichte erzählt werden kann.
Die DramaQueen-Storymodelle…
- sind Ausdruck einer inneren Story-Logik, die sich aus einer bestimmten Ausgangskonstellation heraus vollzieht
- bilden Erzählverläufe ab, die sich in der Praxis bewährt haben
- zeichnen den Entwicklungsbogen der Hauptfigur nach und implizieren damit auch B-Story und Thema
Einsatzmöglichkeiten:
- Plotten: schnell funktionierenden Erzählbogen aufstellen
- Umschreiben: gezielt an bestehenden Geschichten feilen
- Kreatives Anwenden: Modelle individuell anpassen, mehrerere Modelle kombinieren, Modelle bewusst variieren oder brechen
Kategorien:
1. Abwandlungen der klassischen Heldenreise, angepasst an den Charakter der Hauptfigur oder den Erzählton:
- Heldinnenreise (Geschichten über Selbstfindung, Heilung, Intuition, Freundschaften, Solidarität)
- Coming of Age (junge Hauptfigur)
- Ironische Heldenreise (komische/r Held/in)
- Dunkle Heldenreise (Antiheld/in)
- Auserwählt (Hauptfigur muss auf ihrer Reise ihre Bestimmung finden und erfüllen)
2. Genres, die bereits die Grundhandlung vorgeben:
3. Strukturprägende Subgenres:
- Psychothriller
- Tragikomödie
- Dark Romance
- Dark Academia
- Wish Fulfillment Fiction
- Curse Fiction
- Portal Fiction
- Time Travel Fiction
- Buddy Fiction
- Heist Fiction
- Whydunit
4. Geschichten, die auf archetypischen Figuren basieren:
5. Geschichten über archetypische Lebenssituationen:
Klassische Heldenreise ^
Die klassische Heldenreise beschreibt eine archetypische Wandlungsreise, in der eine Figur (oft ein Held) durch äußere und innere Prüfungen geht, eine tiefgreifende Krise durchlebt und schließlich gereift, transformiert und mit einem „Elixier“ zurückkehrt. Die Struktur basiert auf einer Kreisbewegung, die von der gewohnten Welt in eine gefährliche „Nachtwelt“ führt und schließlich zur Rückkehr in eine veränderte „Tagwelt“ führt. Diese Reise ist nicht nur äußerlich, sondern spiegelt auch den inneren Entwicklungsprozess der Hauptfigur.
Storykurve: Die Geschichte folgt oft einem Muster von Fall und Wiederaufstieg oder Aufstieg – Fall – Aufstieg: Die Held/innen starten in einer gewohnten Welt, werden herausgerissen, erleben Rückschläge und Niederlagen, um schließlich durch Wandlung und Mut als gereifte Figuren zurückzukehren oder aufzusteigen.
Erzählerischer Bogen: Die Geschichte beginnt mit einer gewohnten Ordnung und einem inneren Mangel. Ein Ruf zur Veränderung bringt die Figur aus dem Gleichgewicht. Nach anfänglicher Verweigerung und der Begegnung mit einem Mentor übertritt sie die Schwelle in die unbekannte Welt. Dort begegnet sie Schwellenhütern, Trickstern, Alliierten und Schatten, muss sich schweren Prüfungen stellen und stirbt symbolisch. In der tiefsten Krise erlebt sie eine Transformation und bringt am Ende etwas Neues, Heilsames in die Welt zurück.
Typische Anwendung / Genres: Dieses Storymodell findet sich vor allem in: Fantasy, Abenteuer, Quest-Stories, Sci-Fi, epischen Sagas und Animationsfilmen. Es eignet sich ideal für Geschichten mit einem klaren Spannungsbogen, einer identifikationsstarken Hauptfigur und einer universellen Botschaft.
Themen: Berufung, Reifung, Mut, Selbstfindung, Identität und die Überwindung von Angst und Grenzen. Die klassische Heldenreise funktioniert besonders gut in Geschichten, die eine Transformation ins Zentrum stellen und dabei symbolische, mythische oder emotionale Räume erkunden.
Zentrale Tropes:
• Der zögernde Held – die Hauptfigur verweigert zunächst den Ruf
• Weiser Mentor (oft sterbend) – unterstützt den Helden, gibt Impulse und verschwindet
• Schwellenhüter – fordert den Helden heraus, bevor er in die neue Welt darf
• Trickster – bringt Chaos, Humor oder überraschende Wendungen
• Der Schatten – die dunkle Seite – oft eine Spiegelung des Helden
• Gestaltwandler – Figuren, deren Absichten sich ändern oder unklar bleiben
• Das Artefakt / Elixier – etwas, das der Held aus der Nachtwelt zurückbringt – oft Wissen, Heilung oder Wahrheit
Beispiele:
• Star Wars: A New Hope (Film, USA) – junger Farmer wird zum Retter der Galaxis
• Der König der Löwen (Animationsfilm, USA) – verstoßener Prinz kehrt heim und übernimmt Verantwortung
• Der Hobbit (Roman, UK) – ängstlicher Hobbit wächst über sich hinaus
• Harry Potter (Roman & Film, UK) – Junge muss das Böse besiegen – und sich selbst finden
Heldinnenreise ^
Die Heldinnenreise ist ein alternatives Heldenreise-Modell, das den Entwicklungsweg der Hauptfigur jenseits klassischer (männlicher) Heldentypen nachzeichnet. Anders als die Heldenreise, die nach außen und ins Abenteuer führt, betont die Heldinnenreise den inneren Wandel, das Abstreifen fremder Erwartungen und das Wiederfinden der eigenen Stimme.
Storykurve: Die Heldinnenreise folgt häufig der Struktur Aufstieg – Fall – Aufstieg: Beginnend mit Anpassung und Erfolg in der äußeren Welt, führt sie in einen Zusammenbruch (z.B. Burn-out, Beziehungsverlust, Lebenskrise), bevor sich ein Weg nach innen und zu sich selbst öffnet. Der Wiederaufstieg ist geprägt von Integration, neuer Stärke und einem veränderten Verhältnis zur Welt.
Erzählerischer Bogen: Die Figur ist zunächst erfolgreich oder angepasst – sie erfüllt Rollenbilder, funktioniert im äußeren System (Familie, Beruf, Gesellschaft). Doch innerlich wächst die Leere oder der Zweifel. Ein Auslöser (Krise, Verlust, Sehnsucht) führt zum inneren Zusammenbruch oder zum Bruch mit der alten Welt. In der Phase des Rückzugs begegnet die Figur weiblich codierten Kräften wie Intuition, Verletzlichkeit, Verbundenheit. Sie erfährt Unterstützung durch Gemeinschaft, oft durch andere Frauen. Im Wiederaufstieg gelingt es ihr, äußere und innere Anteile zu vereinen und mit einer neuen Haltung zur Welt zurückzukehren.
Typische Anwendung / Genres: Familiengeschichte, feministische Erzählung, autobiografisch inspirierte Stoffe, Entwicklungsgeschichten, Coming-of-Middle-Age, moderne Märchen. Oft auch in spirituellen oder poetischen Stoffen zu finden.
Themen: Selbstfindung, Ganzwerdung, Weiblichkeit im Spannungsfeld patriarchaler Prägungen, Abgrenzung, Integration, kollektive Heilung, Solidarität, Freundschaft und Intuition. Die Heldinnenreise eignet sich besonders für Geschichten über innere Reifung, über das Loslassen von Fremdbildern und über solidarisches Wachstum.
Zentrale Tropes:
• She’s Got the Power – die Figur erkennt ihr inneres Potenzial, das lange unterdrückt war
• Reclaiming Femininity – Weiblichkeit wird nicht länger angepasst, sondern bewusst gelebt
• Sisterhood of Strength – die Kraft der Gemeinschaft hilft der Figur beim Wandel
• Integration of Opposites – die Figur vereint scheinbare Gegensätze (Rationalität & Intuition, Stärke & Weichheit) zu neuer Ganzheit
Beispiele:
• The Hours (Film, USA/UK) – drei Frauen verflechten sich über Zeit und Literatur in einer stillen Rebellion
• Eat Pray Love (Roman & Film, USA) – Frau bricht aus und findet sich selbst in drei Ländern
• Der Gesang der Flusskrebse (Roman & Film, USA) – zurückgezogenes Mädchen überlebt Ausgrenzung – und zeigt ihre Stimme
Coming of Age ^
Coming-of-Age-Geschichten erzählen vom Übergang eines jungen Menschen ins Erwachsenenalter. Im Zentrum steht die Figur, die an den Herausforderungen des Lebens wächst – oft verbunden mit inneren und äußeren Konflikten.
Storykurve: Der emotionale Kern dieser Geschichten liegt in einer Abfolge von Aufstieg – Fall – Aufstieg oder im Fall & Wiederaufstieg: Ein jugendlicher Aufbruch mündet häufig in eine Krise (z.B. erste große Enttäuschung, Verlust der Unschuld oder familiärer Zusammenbruch), die schließlich zu einer neuen inneren Reife führt.
Erzählerischer Bogen: Die Geschichte beginnt oft in einer scheinbar unbeschwerten Kindheits- oder Jugendwelt. Doch erste Brüche, neue Gefühle oder gesellschaftliche Spannungen sorgen für Irritationen. Die Figur durchlebt eine Phase des Ausprobierens, der Rebellion, aber auch der ersten Liebe und Verletzbarkeit. Es kommt zu einer Krise – etwa durch Ablehnung, Trennung, Schuld oder ein Scheitern. Durch neue Erfahrungen, manchmal auch durch einen Mentor, beginnt die Figur, Verantwortung zu übernehmen, sich abzugrenzen und eigene Werte zu entwickeln. Am Ende steht ein leiser, aber tiefer Wandel.
Typische Anwendung / Genres: Jugendfilm, Internatsgeschichte, queere Initiation, Sozialdrama, autobiografisch inspirierte Stoffe. Oft auch als Subplot in anderen Genres (z.B. Fantasy, Sci-Fi) integriert.
Themen: Reifung, Selbstfindung, Ablösung von Eltern oder Autoritäten, Identitätssuche, sexuelle Orientierung, Freundschaft, Tod, erste Liebe oder Mobbing. Die Coming-of-Age-Struktur eignet sich besonders für Geschichten mit starkem emotionalem Kern und Figuren, die ihre Identität noch suchen.
Zentrale Tropes:
• New Beginnings – der erste Tag an einer neuen Schule, ein Umzug oder eine neue Lebensphase markieren den Aufbruch
• Verlust der Unschuld – kindliche Ideale zerbrechen – z.B. durch Gewalt, Tod oder Enttäuschung
• Mentor/in – eine prägende Bezugsperson bietet Orientierung oder Kontrast
• Erste Liebe / Erstes Mal – emotionale oder körperliche Grenzerfahrungen prägen die Entwicklung
• Initiation – symbolische oder reale Rituale markieren den Übergang zum Erwachsenwerden
Beispiele:
• Der Fänger im Roggen (Roman, USA) – Teenager streift durch New York und seine eigene Verwirrung
• Tschick (Roman & Film, Deutschland) – zwei Außenseiter erleben einen wilden Sommertrip
• Lady Bird (Film, USA) – Jugendliche trotzt ihrer Mutter, testet soziale Grenzen und ringt um Selbstbestimmung
• Call Me by Your Name (Film, Italien/USA) – Sommer, erste große Liebe, Erwachen von Begehren und Selbstakzeptanz
• Die Mitte der Welt (Roman & Film, Deutschland) – junger Mann kämpft mit Liebe, Familie und Identität
Krimi / Whodunit ^
Im Krimi oder Whodunit steht die Aufklärung eines Verbrechens im Mittelpunkt. Die Figur – oft ein Ermittler oder eine Detektivin – sammelt Spuren, befragt Zeugen, dekonstruiert Widersprüche und folgt einem Netzwerk von Hinweisen.
Storykurve: Der Krimi folgt in der Regel der Struktur Fall & Wiederaufstieg: Ein Mord oder Verbrechen reißt die Welt aus dem Gleichgewicht – und erst durch die Enthüllung der Wahrheit kann (zumindest scheinbar) wieder Ordnung hergestellt werden.
Erzählerischer Bogen: Zu Beginn steht das Verbrechen, das oft in einer zunächst intakten oder abgeschlossenen Welt geschieht. Die Figur beginnt mit den Ermittlungen: Spuren werden entdeckt, Menschen befragt, erste Hypothesen gebildet. Es folgt eine Phase der Verwirrung – Verdachtsmomente, falsche Fährten, persönliche Involvierung oder moralische Dilemmata erschweren die Suche. Im letzten Drittel gelingt der Durchbruch – oft durch ein übersehenes Detail oder eine intuitive Erkenntnis – und die Täterin / der Täter wird überführt. Der Schluss zeigt die Wiederherstellung von Ordnung oder zumindest eine Form von Gerechtigkeit.
Typische Anwendung / Genres: Detektivfilm, TV-Krimi, True Crime, Cozy Crime, Justizthriller, Polizeidrama. Oft auch im Crossover mit Thriller oder Mystery.
Themen: Wahrheitssuche, Täuschung, Moral, Schuld, Identität und oft auch Gesellschaftskritik. Der Reiz liegt in der intellektuellen Struktur: Wer war’s? Warum? Und was verrät das über den Menschen und das System? Wichtig ist ein geschickter Aufbau der Hinweise – und deren schlüssige Auflösung.
Zentrale Tropes:
• Roter Hering – eine falsche Spur, die Leser oder Zuschauer gezielt in die Irre führt
• Detektiv-Figur – die zentrale Figur mit analytischem Gespür, oft eigenwillig, moralisch komplex oder verletzlich
• Verschrobener Ermittler – ein Trickster-Typ mit unorthodoxen Methoden, der durch seine Eigenart erfolgreich ist
Beispiele:
• Miss Marple (Romane & Verfilmungen, UK) – ältere Dame löst raffinierte Mordfälle mit Scharfsinn
• Der Name der Rose (Roman & Film, IT/FR/DE) – Mönch deckt tödliche Geheimnisse in einer Abtei auf
• Tatort (TV-Serie, Deutschland) – Ermittlerteams klären Mordfälle quer durch Deutschland auf
Thriller ^
Der Thriller erzeugt Spannung durch eine bedrohliche Situation, in der die Figur sich gegen eine übermächtige Bedrohung behaupten muss – sei es ein skrupelloser Gegner, ein globales Komplott oder der Kampf ums Überleben. Im Gegensatz zum klassischen Heldenreise-Modell liegt der Fokus weniger auf innerer Reifung als auf äußerer Handlung, Gefahr und psychologischem Druck.
Storykurve: Der Thriller zeichnet meist die Kurve Fall & Wiederaufstieg: Die Figur wird in eine Krise gestürzt, verliert zunehmend Kontrolle – bis sie sich schließlich zur Gegenwehr aufrafft.
Erzählerischer Bogen: Zu Beginn leben Figur(en) meist in einer scheinbar geordneten Welt. Plötzlich tritt eine Bedrohung auf – ein Verbrechen, ein Mord, eine Verschwörung oder ein Angriff. Die Figur wird in die Geschehnisse verstrickt, sie gerät unter Verdacht, wird verfolgt oder muss jemanden retten. Mit wachsender Eskalation steigt der Druck: Es kommt zu Täuschung, Verrat, Gewalt und einem moralisch komplexen Kampf um Gerechtigkeit. Die Zeit wird immer knapper. Im letzten Drittel gelingt meist eine Wendung oder Enthüllung, die zum finalen Showdown führt. Die Ordnung wird – oft zu einem hohen Preis – wiederhergestellt.
Typische Anwendung / Genres: Actionthriller, Psychothriller, Politthriller, Katastrophenfilm, Survival-Thriller, Justizthriller. Oft im Crossover mit Krimi, Drama oder Sci-Fi.
Themen: Flucht, Selbstbehauptung, Identität, Wahrheit, Täuschung, moralische Dilemmata und Systemkritik. Thriller führen die Fragilität des menschlichen Lebens vor Augen, das stets am seidenen Faden hängt. Sie konfrontieren Figuren mit Grenzerfahrungen – oft unter extremem Zeitdruck oder in einem Netz aus Verrat und Macht.
Zentrale Tropes:
• Verfolgte Unschuld – die Figur wird fälschlich verdächtigt und muss ihre Unschuld beweisen
• Wrongly Accused – Variante davon mit starker Täter-Opfer-Verschiebung
• Time Bomb – die Zeit läuft ab – sei es buchstäblich oder metaphorisch
• Race Against the Clock – die Figur muss handeln, bevor es zu spät ist
• Big Bad Reveal – der wahre Gegner oder die eigentliche Bedrohung wird erst spät enthüllt
Beispiele:
• Da Vinci Code (Roman & Film, USA) – Professor jagt einem tödlichen Geheimnis der Kirche hinterher
• Die Bourne Identität (Filmreihe, USA) – Mann ohne Gedächtnis wird zur gejagten Waffe
• Der Schwarm (Roman & TV-Serie, Deutschland) – Natur schlägt zurück – mit tödlicher Intelligenz
• Flightplan (Film, USA) – Mutter sucht ihre Tochter – in einem Flugzeug, das sie nicht kennt
Psychothriller ^
Der Psychothriller ist eine spannungsgeladene Erzählform, in der psychologische Bedrohung, Täuschung und Wahrnehmungskrise im Zentrum stehen. Im Gegensatz zum klassischen Thriller liegt der Fokus nicht auf äußerer Flucht und Action, sondern auf der inneren Zerrüttung der Figur.
Storykurve: Der Plot folgt meist einer brüchigen Abfolge von Fall – Aufstieg – Fall, bei der sich die Figur scheinbar befreit – nur um am Ende erneut zu stürzen. Die Wahrheit bleibt lange verborgen oder wird bis zum Ende verschleiert.
Erzählerischer Bogen: Die Geschichte beginnt mit einem irritierenden Normalzustand, der durch kleine Anomalien ins Wanken gerät. Die Figur zweifelt zunehmend an ihrer Wahrnehmung, wird manipuliert, bedroht oder verfolgt – häufig, ohne dass das Umfeld die Bedrohung anerkennt. Sie versucht, sich der Wahrheit zu nähern, nur um dabei noch tiefer in ein Netz aus Lügen, Wahn oder Selbsttäuschung zu geraten. Oft folgt ein scheinbarer Befreiungsschlag oder eine Enthüllung – bevor die finale Eskalation die Figur psychisch oder real in den Abgrund reißt.
Typische Anwendung / Genres: Typische Genres und Anwendungen sind Mystery, Noir, Mindfuck-Thriller und Arthouse-Stoffe mit psychologischem Fokus. Sie eignen sich besonders für Geschichten, die auf mentale Spannung, Identitätskrisen oder paranoide Atmosphären setzen.
Themen: Psychothriller verhandeln zentrale Themen wie Wahrheit vs. Manipulation, Identität & Realität, Kontrolle & Fremdbestimmung oder Schuld & Ungewissheit. Die Figur steht häufig unter massivem Druck – sowohl von außen als auch von innen. Die Wahrheit ist selten eindeutig, moralische Eindeutigkeit wird aufgelöst.
Zentrale Tropes:
• Unreliable Narrator – die Erzählstimme oder Perspektive ist unzuverlässig
• Gaslighting – gezielte Manipulation der Wahrnehmung
• Roter Hering – falsche Fährten und Ablenkungsmanöver
• Verstand zerbricht – psychischer Zusammenbruch als Klimax
• Doppelgänger, Gespaltene Persönlichkeit, The Enemy Within, Everyone Is Lying, Locked-In Syndrome, Lost Memory – diese Tropes spiegeln das zentrale Motiv der Wahrheitssuche unter erschwerten, oft bedrohlichen Umständen
• The Hidden Conspiracy – Hauptfigur stößt auf Hinweise, dass hinter der Fassade der Realität ein verborgenes System oder eine mächtige Verschwörung operiert – oft im Stillen und mit weitreichender Kontrolle
Beispiele:
• The Game (Film, USA) – ein Spiel wird zum Albtraum – oder zur Befreiung?
• The Sixth Sense (Film, USA) – Psychologe hilft einem Jungen, der Tote sieht – und erkennt, dass er selbst einer von ihnen ist
• Verblendung / Millennium-Trilogie (Roman & Film, Schweden) – Journalist und Hackerin jagen die Wahrheit in einem alten Familiengeheimnis
• The Girl on the Train (Roman & Film, UK/USA) – traumatisierte Frau glaubt, etwas Entscheidendes gesehen zu haben – und deckt eine tödliche Wahrheit auf
Horror ^
Die Horror-Geschichte führt die Hauptfigur durch eine Abwärtsspirale aus wachsender Angst, Entsetzen und übernatürlicher Bedrohung bis zur finalen Konfrontation – häufig mit einem fatalen oder verstörenden Ausgang.
Storykurve: Die Kurve Fall – Aufstieg – Fall beschreibt typische Horrorverläufe: Ein zunächst harmloser Alltag kippt ins Grauen, bevor die Figur sich kurz behauptet – und schließlich doch scheitert oder gezeichnet überlebt.
Erzählerischer Bogen: Die Geschichte beginnt meist mit einer trügerischen Normalität oder einem rätselhaften Vorfall. Die Bedrohung wächst schleichend, wird greifbarer und nimmt zunehmend Raum ein – sei es psychologisch oder physisch. Nach einer Eskalation und dem scheinbaren Überwinden der Gefahr folgt oft ein düsteres Ende, das offenlässt, ob das Böse wirklich besiegt wurde. Die Figur überlebt – traumatisiert, verändert oder als letzte Überlebende (Final Girl).
Typische Anwendung / Genres: Psychologischer Horror, Body Horror, Gothic Horror, Paranormal Horror, Splatter, Found Footage
Themen: Kontrollverlust, Wahnsinn, Tod, Schuld, Isolation, Trauma und die Angst vor dem „Anderen“ sind zentrale Themen. Das Böse bleibt oft unerklärlich, übernatürlich oder irrational – es spiegelt verdrängte Ängste und gesellschaftliche Tabus. Horror-Geschichten stellen die Rationalität des menschlichen Daseins in Frage. Sie funktionieren als kathartisches Erleben kollektiver oder individueller Traumata.
Zentrale Tropes:
• Verfolgte Unschuld – eine meist unschuldige Figur wird von einer unerklärlichen oder übermächtigen Kraft gejagt
• Verlassenes Haus – Isolation und Vergangenheit verdichten sich in unheimlichen Orten
• Cut Off from the World – keine Hilfe von außen, völlige Abgeschiedenheit
• Falsche Sicherheit – scheinbar sichere Räume oder Personen erweisen sich als Bedrohung
• Let’s Split Up – klassische Fehlentscheidung, bei der sich Figuren trennen und verwundbar machen
• Unschuldige sterben zuerst – oft das erste Opfer, um Bedrohung und Ernst der Lage zu etablieren
• Final Girl / Lone Survivor – meist weibliche Überlebende, die sich gegen das Böse behauptet
• Going Mad / Seeing Things – Wahrnehmung und Realität verschwimmen, Figur droht psychisch zu zerbrechen
• Locked-In Syndrome – Figur ist körperlich völlig handlungsunfähig, bei klarem Bewusstsein, kann aber nicht kommunizieren – oder nur über minimale Signale (z.B. Augenbewegung).
• The Killer Is Not Dead – scheinbar besiegter Gegner lebt doch noch
• False Ending – Zuschauer/innen werden kurz in Sicherheit gewiegt, bevor der Horror zurückschlägt
• Final Scare – letzter Schockmoment nach dem vermeintlichen Ende
Beispiele:
• Es (Roman & Film, USA) – dämonischer Clown jagt Kinder und ihre verdrängten Ängste
• Die Therapie (Roman, Deutschland) – verschwundenes Mädchen, ein Vater – und ein tödliches Spiel
• Get Out (Film, USA) – Besuch bei den Schwiegereltern wird zum rassistischen Albtraum
• The Shining (Roman & Film, USA/UK) – ein Hotel, ein Vater, der Wahnsinn – und ein dunkles Echo
• REC (Found Footage-Film, Spanien) – Reportage wird zur Höllenfahrt in einem infizierten Wohnhaus
Romantische Komödie (RomCom) ^
Die romantische Komödie (Rom Com) erzählt vom Weg zweier Menschen zueinander – voller Witz, Missverständnisse und emotionaler Turbulenzen.
Storykurve: Die klassische RomCom folgt dem Muster Aufstieg – Fall – Aufstieg: Eine vielversprechende Annäherung wird durch äußere oder innere Konflikte gestört, bevor die Liebenden am Ende zueinanderfinden.
Erzählerischer Bogen: Die Geschichte beginnt mit einer Begegnung (oft ein sogenanntes „Meet Cute“) und einer ersten Annäherung. Trotz Sympathie entstehen Spannungen oder äußere Umstände führen zur Krise oder Trennung. Im letzten Akt erfolgt eine Erkenntnis, Umkehr oder mutige Geste, die zur Versöhnung führt. Die Geschichte endet fast immer mit einem Happy End – oder zumindest einem hoffnungsvollen Neuanfang.
Typische Anwendung / Genres: Liebeskomödie, Culture-Clash, Teen-Romance
Themen: Beziehungswandel, emotionale Entwicklung, Identitätsfindung durch Liebe. Die romantische Komödie glaubt an den Sieg der Liebe über alle Hindernisse und soziale Barrieren. Sie thematisiert Nähe und Distanz, Angst vor Verletzung, Selbstzweifel – und das mutige Bekenntnis zur Liebe. RomComs arbeiten oft mit Spiegelungen (Spiegelfiguren, Spiegelszenen), doppeltem Boden (Missverständnisse, Subtext, Ironie) und gesellschaftlichen Normen (Geschlechterrollen,
Erwartungen an Beziehungen und Ehe).
Zentrale Tropes:
• Enemies to Lovers – Gegensätze prallen aufeinander, bevor Liebe entsteht
• Friends to Lovers – langjährige Freundschaft entwickelt sich zur romantischen Beziehung
• Meet Cute – charmant-schräge erste Begegnung, oft zufällig oder unter ungewöhnlichen Umständen
• Verpasster Kuss – später nachgeholt – romantischer Höhepunkt verschiebt sich für emotionale Reife
• Love Triangle – die Hauptfigur steht zwischen zwei romantischen Optionen
• Zweite Chance für die Liebe – alte Beziehung flammt nach Rückschlägen oder Jahren neu auf
• Opposites Attract – Persönlichkeiten oder Lebensentwürfe kollidieren und ziehen sich trotzdem an
• Die Hochzeitsunterbrechung – klassische Szene, in der eine Figur eine (falsche) Hochzeit im letzten Moment verhindert
• The Grand Gesture – öffentliches, übertrieben romantisches Liebesgeständnis
Beispiele:
• Stolz und Vorurteil (Roman, UK) – sie ist klug, er ist stolz – und beide müssen über sich hinauswachsen
• Notting Hill (Film, UK/USA) – Buchhändler verliebt sich in größten Star der Welt
• Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück (Roman & Film, UK) – chaotische Frau sucht Liebe und findet sich selbst
• Cyrano de Bergerac / Das schönste Mädchen der Welt (Versdrama, Frankreich & Film, Deutschland) – sprachgewandter Außenseiter liebt ein Mädchen – und lässt andere für sich sprechen
Dark Romance ^
Dark Romance erforscht die dunklen, oft zerstörerischen Seiten der Liebe. Die Beziehung steht unter dem Zeichen von Leidenschaft, Abhängigkeit und moralischer Ambivalenz.
Storykurve: Die Story erzählt häufig einen Aufstieg & tiefen Fall: Was als intensive Anziehung beginnt, entwickelt sich zunehmend zur Obsession – mit tragischen, gefährlichen oder verstörenden Konsequenzen.
Erzählerischer Bogen: Die Geschichte beginnt mit einer magnetischen, oft verbotenen Anziehung. Die Hauptfigur wird von der düsteren Faszination des Love Interests in den Bann gezogen. Zunächst scheint die Beziehung eine Leere zu füllen, doch bald treten toxische Dynamiken, Machtspiele oder seelische Abgründe zutage. Die Handlung steuert auf einen zerstörerischen Wendepunkt zu – häufig verbunden mit einem Verlust oder der Erkenntnis, dass die Liebe nicht rettet. Manche Dark Romances enden mit einem bittersüßen oder offen tragischen Schluss.
Typische Anwendung / Genres: Romantasy, Erotikthriller, psychologisches Liebesdrama, toxische Liebesbeziehungen
Themen: Abhängigkeit, Selbstverlust, Obsession, Heilungssehnsucht, Trauma-Bindungen, Manipulation, Grenzerfahrungen. Dark Romance eignet sich besonders für Stoffe, die emotionale Abgründe und seelische Abhängigkeiten erfahrbar machen – aber sollte reflektiert und verantwortungsvoll erzählt werden.
Zentrale Tropes:
• The Dangerous Love Interest – Liebespartner/in mit dunkler Vergangenheit oder bedrohlichem Charisma
• Beauty and the Beast – Liebe zwischen Unschuld und innerlich gebrochener Figur, oft mit Transformation
• Obsession Love – emotionale Abhängigkeit, Kontrollwunsch, übergriffige Nähe
• Hurt/Comfort – eine Figur wird verletzt oder ist traumatisiert, die andere bietet Trost – oft mit Nähe durch Verletzlichkeit
• Forbidden Love – Liebe gegen gesellschaftliche, moralische oder persönliche Widerstände
• Love Redeems the Monster – die Liebe heilt oder „erlöst“ eine vermeintlich verlorene, dunkle Figur
• Possessive Lover – Eifersucht und Kontrolle werden romantisiert
• Dark Past – verborgene Schuld oder frühere Gewalt prägt das Liebesverhalten
• Taming the Beast – die „zahm werdende“ dunkle Figur durch die Nähe zur Geliebten
• Toxic but Magnetic – die Beziehung ist zerstörerisch, aber zugleich faszinierend und erotisch aufgeladen
Beispiele:
• Basic Instinct (Film, USA) – Polizist verfällt charismatischer Hauptverdächtiger in einem Mordfall
• Twilight (Roman & Film, USA) – Mädchen verliebt sich in Vampir – zwischen Begehren und Gefahr
• Fifty Shades of Grey (Roman & Film, USA) – junge Frau gerät in eine obsessive Beziehung zu dominantem Milliardär
• Der Vorleser (Roman & Film, Deutschland) – junger Mann entdeckt, dass seine erste große Liebe eine ehemalige KZ-Aufseherin war
• 365 Days (Film, Polen) – Mafiaboss entführt eine Frau, um ihre Liebe zu erzwingen / Stockholm-Syndrom entwickelt sich zur toxischen Liebesfantasie
Dark Academia ^
Dark Academia verbindet eine elitäre, ästhetisierte Bildungswelt mit düsteren Themen wie Schuld, Obsession und moralischem Zerfall.
Storykurve: Das Modell erzählt meist einen Aufstieg und Fall: Die Figur strebt nach Erkenntnis, Zugehörigkeit oder Brillanz, erlebt einen Moment der Macht oder Selbstermächtigung – und stürzt schließlich über ihre eigenen Grenzen, moralischen Irrtümer oder Schuld.
Erzählerischer Bogen: Zu Beginn steht oft der Eintritt in eine exklusive akademische Welt: eine Elite-Universität, ein Internat oder ein intellektueller Zirkel. Die Figur ist meist ein/e Außenseiter:in, fasziniert von Schönheit, Bildung und Anerkennung. Es folgen Annäherung an eine Gruppe, Einführung in geheime Rituale und die beginnende moralische Erosion. Ein Wendepunkt offenbart eine Schuld oder Wahrheit, die verdrängt wurde – oder führt zur Konfrontation mit einem Schatten der Vergangenheit. Die Geschichte kulminiert im Absturz: durch Enthüllung, Verzweiflung, Isolation oder Verlust. Der Rückweg in die „normale Welt“ ist kaum möglich.
Typische Anwendung / Genres: Literarisches Drama, Psychodrama, Mystery, Bildungsroman mit dunklem Twist, Campus-Thriller, geschlossene Systeme (Internat, Elite-Uni)
Themen: Moralische Komplexität, Spannungsfeld zwischen Schönheit und Verderben, Bildung als Obsession, Wahrheitssuche & moralischer Zerfall, Dekadenz, Faszination für Wissen, Ästhetik, Exklusivität, Schuld, Verdrängung, Gruppendruck, Identitätskonflikte, intellektuelle Hybris. Dark Academia eignet sich hervorragend für Geschichten über verlorene Ideale, gefährliche Sehnsüchte und das Scheitern an zu hohen Ansprüchen in einem intellektuell aufgeladenen Mikrokosmos.
Zentrale Tropes:
• Aesthetic Obsession – übersteigerte Fixierung auf Schönheit, Stil und Intellekt als Ausdrucksmittel der Zugehörigkeit oder Überlegenheit
• The Secret Society – elitäre, geheime Gemeinschaften als Bühne für Machtspiele, Ausschlussmechanismen oder Schuld
• Corrupt Mentor / Fallen Idol – bewunderte Lehrer/innen oder Vorbilder entpuppen sich als moralisch gescheitert oder gefährlich
• Toxic Friendship – intensive Freundschaften, die in Manipulation, Abhängigkeit oder Rivalität umschlagen
• Intellectual Arrogance – Hybris durch übersteigerte Selbstwahrnehmung als Elite oder moralische Ausnahme
• Repressed Guilt – verdrängte Schuldgefühle, die langsam an die Oberfläche dringen und die Figur innerlich zersetzen
• Fall from Grace – der soziale, moralische oder persönliche Absturz aus einer privilegierten oder idealisierten Position
• The Naïve Outsider – eine neue Figur, die unbedarft in das System eintritt und schrittweise korrumpiert wird
• Too Late for Redemption – der Moment der möglichen Umkehr kommt zu spät – Schuld, Wahrheit oder Einsicht führen nicht zur Rettung
• Beautiful Mask / Rotting Core – hinter der stilisierten Fassade verbergen sich Leere, Abgründe oder Gewalt – ein klassisches Symbol für Schein und Sein
Beispiele:
• Saltburn (Film, UK/USA) – Außenseiter wird Teil einer Elite – bis sich Abgründe auftun
• Save (Buchreihe, Deutschland) / Maxton Hall – Die Welt zwischen uns (TV-Serie, Deutschland) – Eliteinternat, große Gefühle und soziale Kluften
• Die geheime Geschichte (Roman, USA) – elitäre Studentengruppe begeht Mord – und zerbricht an der Schuld
Melodrama ^
Das Melodrama betont emotionale Extreme, Beziehungskonflikte und tragische Schicksalsschläge. Es führt die Figur meist durch eine Phase emotionaler Repression hin zu einer kathartischen Entladung.
Storykurve: Der typische Verlauf entspricht der Kurve Fall – Aufstieg – Fall: Nach einer schmerzhaften Krise erreicht die Hauptfigur einen scheinbaren Durchbruch – doch die emotionale Befreiung hat oft ihren Preis.
Erzählerischer Bogen: Ein emotional unterdrückter Ausgangszustand wird durch äußere Umstände oder zwischenmenschliche Spannungen erschüttert. Es folgt ein emotionaler Kollaps, eine (oft intime) Wahrheitskonfrontation und schließlich eine befreiende Erkenntnis oder Entscheidung. Das Ende oszilliert zwischen Hoffnung und Tragik, die Figur zahlt meist einen hohen Preis für ihre emotionale Wahrheit.
Typische Anwendung / Genres: Liebesdrama, Familiendrama, Gesellschaftsdrama, Frauenliteratur, klassische Tragödien, Period Pieces
Themen: Unterdrückte Gefühle vs. emotionaler Ausdruck, Scham, Schuld, Liebe, Selbstaufopferung, familiärer oder gesellschaftlicher Druck, moralische Erwartungen und das Durchbrechen von Tabus. Die emotionale Katharsis ist zentral und wird oft mit körperlichen Ausdrücken wie Weinen oder Zusammenbrüchen erzählt. Melodrama eignet sich besonders für Figuren, die innerlich „gefroren“ sind und erst durch Schmerz zur Wahrheit finden.
Zentrale Tropes:
• Verbotene Liebe – emotionale Bindungen, die moralisch oder sozial geächtet sind
• Self-Sacrifice – die Figur stellt das Glück anderer über ihr eigenes
• Emotional Freeze – emotionale Unterdrückung als innerer Zustand
• Tearful Confession – ein zentrales Geständnis, meist unter Tränen
• The Weeping Moment – das emotionale Ventil öffnet sich endgültig
• Public Shaming / Emotional Exposure – Gefühle oder Schwächen werden öffentlich sichtbar
• Suffering Leads to Truth – erst das Leiden ermöglicht Erkenntnis und emotionale Klarheit
Beispiele:
• Effi Briest (Roman & Film, Deutschland) – junge Frau scheitert an gesellschaftlichen Normen und innerem Unglück
• Love Story (Film, USA) – Paar trotzt allen Widerständen – bis der frühe Tod alles beendet
• Revolutionary Road (Roman & Film, USA) – Ehepaar zerbricht am Traum vom freien Leben
• Amour (Film, Frankreich/Österreich) – alter Mann pflegt seine sterbende Frau – bis zum letzten Akt der Liebe
• Wie ein einziger Tag (Roman & Film, USA) – eine lebenslange Liebe, die auch Demenz nicht auslöschen kann
Tragödie ^
Die Tragödie schildert den unausweichlichen Niedergang der Hauptfigur, ausgelöst durch innere Schwächen, moralische Verfehlungen oder ein übermächtiges Schicksal. Oft liegt ihr ein fataler Charakterfehler (Hybris, Selbsttäuschung, Kontrollwahn etc.) oder ein unauflösbarer innerer oder äußerer Konflikt zugrunde.
Storykurve: Die Storykurve zeichnet einen tiefen Fall: Vom scheinbaren Glück oder Erfolg bewegt sich die Handlung unumkehrbar auf einen katastrophalen Endpunkt zu. Die Fallhöhe steigt mit jedem Schritt, oft begleitet von einer tragischen Erkenntnis im letzten Moment – zu spät für Rettung.
Erzählerischer Bogen: Ein scheinbar starker oder idealistischer Ausgangspunkt wird durch Überheblichkeit, Schuld oder Verblendung untergraben. Die Figur trifft Entscheidungen, die sie in eine Spirale aus Verhängnis, Schuld, Isolation und Untergang führen. Häufig folgt eine tragische Einsicht zu spät – und der Fall endet mit Tod, Wahnsinn oder totalem Verlust.
Typische Anwendung / Genres: Klassisches Drama, Horror, Historienfilm, Kriegsfilm, Dark Romance, Psycho-Drama, Shakespeare-Adaptionen
Themen: Fallhöhe, Schuld und Unschuld, Determinismus vs. freier Wille, moralische Zerrüttung, der Untergang durch eigene Schwächen oder äußere Zwänge. Die Tragödie lässt den Helden daran zugrunde gehen, dass er gegen das göttliche Walten bzw. das herrschende System aufbegehrt. Sie zeigt die zerstörerische Seite des Menschseins – und die Ohnmacht gegenüber Schicksal oder innerem Abgrund.
Zentrale Tropes:
• Schuldlos Schuldig – die Figur wird Opfer von Umständen, obwohl sie selbst nicht schuldhaft handelt
• Tiefer Fall – der Abstieg einer einst bewunderten oder geliebten Figur
• Unvermeidliches Schicksal – der Ausgang ist von Beginn an unausweichlich, aber nicht vorhersehbar für die Figur
• Tragische Hybris – Übermut, Stolz oder Größenwahn führen zur Selbstzerstörung
• Zu spät erkannte Wahrheit – die Figur erkennt ihre Schuld oder ihr Verhängnis erst im Moment der Katastrophe
Beispiele:
• Antigone (Theaterstück, Antikes Griechenland) – junge Frau trotzt dem Gesetz aus moralischer Pflicht – mit tödlicher Konsequenz
• Das weiße Band (Film, Deutschland/Österreich) – in einem Dorf wachsen Kinder in Strenge auf – bis Gewalt zum Ventil wird
• Requiem for a Dream (Film, USA) – vier Figuren suchen Sinn – und verlieren sich in zerstörerischen Illusionen
• Macbeth (Theaterstück & Verfilmungen, UK) – schottischer Adliger tötet aus Machtgier – und stürzt ins Verderben
• Woyzeck (Theaterstück & Verfilmung, Deutschland) – armer Soldat zerbricht an Ausbeutung, Eifersucht und Wahnsinn
• Blue Valentine (Film, USA) – eine große Liebe zeigt sich in Rückblenden – während sie real zerfällt
Tragikomödie ^
Die Tragikomödie verbindet das Tragische mit dem Komischen – oft auf leise, melancholische oder absurde Weise. Sie zeigt stille, gebrochene, unspektakuläre Figuren in alltäglichen oder existenziellen Konflikten, deren Schmerz und Verlorenheit sich mit überraschender Wärme oder Ironie durchdringen.
Storykurve: Die Handlung folgt einem episodischen oder offenen Aufbau mit Rückschlägen, kleinen Siegen und oft einem bittersüßen oder offenen Ende.
Erzählerischer Bogen: Die Figuren erleben Brüche, Enttäuschungen, innere und äußere Krisen – doch anstelle einer klaren Katharsis gibt es kleine Verschiebungen, neue Sichtweisen, stille Hoffnungen. Die Tragikomödie bewegt sich zwischen Scheitern und Würde, zwischen Resignation und Aufbruch.
Typische Anwendung / Genres: Sozialdrama, Familiengeschichte, Indie-Film, Arthouse, Alltagsgroteske.
In der Tragikomödie vermischen sich heitere, komische, dramatische, melancholische und tragische Momente. Die dialektische Spannung aus Lachen und Weinen, Empathie und Distanz bewirkt ein Wechselbad der Gefühle sowie eine Katharsis.
Die Wirkungsintention der Tragikomödie besteht darin, sich in das Leid der Figuren einzufühlen, um dann den Blick auf die dafür verantwortlichen grotesken sozialen Umstände zu öffnen. In ihrer Darstellung der Menschenwürde als unantastbares Gut vermittelt sie dem Zuschauer Hoffnung und spendet Trost.
Der Gegensatz von Tragik und Komik kann in der Tragikomödie entweder in einem Neben- und Gegeneinander kontrastiert oder zu einem identischen Miteinander verschmolzen werden. In der Synthese des „Lachens im Weinens“ verstärken sich komische und tragische Wirkungen gegenseitig: Einfühlung und Distanz erfolgen im permanenten Wechsel bis hin zur paradoxen Gleichzeitigkeit, in der sie sich nicht mehr voneinander trennen lassen.
Themen: Scheitern, Altern, Einsamkeit, Menschlichkeit, Alltagsabsurditäten, die Suche nach Sinn im scheinbar Sinnlosen. Ideal für fragile Figuren und erzählerische Zwischentöne. Die Tragikomödie pocht auf die Unantastbarkeit der Menschenwürde in einer grotesken Welt und setzt damit ein Zeichen der Hoffnung und Versöhnung. Sie öffnet Raum für Mitgefühl, ohne ins Melodrama abzudriften – sie sieht das Komische im Schmerz und das Tragische im Alltäglichen. Komik entsteht aus Verlegenheit, durch Peinlichkeit, Unsicherheit, Menschlichkeit. Im Unterschied zur Komödie erfordert die Tragikomödie daher eine vertiefte Figurencharakterisierung, da sich Tragik nur beim Charakter einer schuldlos schuldigen Figur in Verbindung mit einem gesellschaftlich substantiellen Konflikt einstellt.
Zentrale Tropes:
• Trauriger Clown – Figuren verstecken ihren Schmerz hinter Ironie oder Lächeln
• Bitter-süßes Ende – Keine Erlösung, aber ein Hauch von Akzeptanz oder neuer Perspektive
• Life Goes On – Das Leben geht weiter, auch wenn nichts gelöst ist
• Existenzielle Banalität – tiefere Wahrheiten im scheinbar Belanglosen
Beispiele:
• Jakob der Lügner (Roman & Film, DDR/BRD) – jüdischer Mann im Ghetto erfindet Hoffnung – um Leben zu retten
• Das Leben ist schön (Film, Italien) – Vater schützt seinen Sohn vor dem Grauen des KZ – mit Fantasie und Witz
• About Schmidt (Roman & Film, USA) – frisch pensionierter Witwer irrt durchs Leben – und entdeckt dabei leise Erkenntnis
• Ein Mann namens Ove / Otto (Roman & Film, Schweden / USA) – verbitterter Witwer plant sein Leben zu beenden – doch neue Nachbarn platzen in sein Leben
• Birdman (Film, USA) – gescheiterter Schauspieler kämpft mit Karriere, Familie und innerem Wahnsinn – zwischen Größenwahn und Erlösung
Auserwählt ^
Die Geschichte der Auserwählten zeigt eine Figur, die durch ein Schicksal, eine Gabe oder eine Prophezeiung zur Heldin oder zum Helden bestimmt ist – ob sie es will oder nicht. Der Weg zur inneren Reife steht oft im Mittelpunkt.
Storykurve: Die Figur vollzieht einen reinen Aufstieg – vom „Niemand“ zum Retter der Welt –, oder einen Aufstieg – Fall – Aufstieg: Die Auserwählten müssen ihre Rolle erst annehmen, erleben Krisen, wachsen aber letztlich über sich hinaus.
Erzählerischer Bogen: Ein zunächst unscheinbares Individuum wird mit einer besonderen Bestimmung konfrontiert. Der Ruf wird zunächst oft abgelehnt. Prüfungen, Verluste und Zweifel führen zur Reifung. Durch Opfer oder eine zentrale Entscheidung wird das Schicksal erfüllt. Die Figur wächst über sich hinaus – durch Verantwortung, nicht Macht.
Typische Anwendung / Genres: Fantasy, Young Adult, Dystopie, Sci-Fi, Superheldengeschichten, Coming-of-Power, spirituelle Reise, moderne Märchen
Themen: Schicksal, Selbstfindung, Berufung, Andersartigkeit, Verantwortung, Reifung, Licht & Schatten, Führung, Glaube an sich selbst. Ideal für epische Erzählungen und identifikationsstarke Figuren in Übergangsphasen. Häufig symbolisieren Kräfte oder Gaben innere Potenziale – die wahre Transformation ist spirituell oder charakterlich.
Zentrale Tropes:
• Chosen One – eine Person ist dazu bestimmt, das Böse zu besiegen oder eine Welt zu retten
• Die Prophezeiung – eine alte Weissagung kündigt das Schicksal des Helden an
• Geheimer Erbe* – wahre Herkunft oder Abstammung ist verborgen, aber bedeutungsvoll
• Vererbte Macht – besondere Fähigkeiten oder Aufgaben werden weitergegeben
• Mentor/in stirbt – zentrale Bezugsperson verschwindet, was die Reifung beschleunigt
Beispiele:
• Dune (Roman & Film, USA/UK) – junger Mann wird zum Messias – in einer Welt zwischen Politik, Macht und Mythos
• Matrix (Film, USA) – Hacker erkennt: Die Welt ist eine Illusion – und er der Auserwählte
• Harry Potter und der Stein der Weisen (Roman & Film, UK/USA) – Waisenkind entdeckt Magie – und seine Bestimmung
• Der Goldene Kompass / His-Dark-Materials-Trilogie (Romanreihe & Film, UK) – Mädchen wird zur Retterin aller Welten – gegen eine übermächtige Ordnung
• The Hunger Games (Roman & Film, USA) – eine Jugendliche wird unfreiwillig zur Revolutionärin
• Der Junge muss an die frische Luft (Autobiografie & Film, Deutschland) – Kind entdeckt seine Gabe: andere zum Lachen zu bringen
• Vaiana / Moana (Animationsfilm, USA) – Mädchen folgt Ruf des Ozeans, um ihr Volk zu retten
Magische Prämisse / Wunsch ^
Diese Geschichten beginnen damit, dass sich ein Wunsch der Hauptfigur auf magische Weise erfüllt – meist am ersten Plot-Point – und sich das Leben der Figur dadurch auf den Kopf stellt. Oft steht eine Lebenslektion oder das Erkennen des wahren Werts von Dingen im Zentrum.
Storykurve: Der Storykurve vollzieht entweder einen reinen Aufstieg – mit erfülltem Wunsch oder magischer Veränderung – oder einen Aufstieg – Fall – Aufstieg: Der Wunsch führt zu Komplikationen, doch am Ende steht ein gereiftes Ich oder eine wertvolle Einsicht.
Erzählerischer Bogen: Die Hauptfigur äußert einen Wunsch oder wird durch einen magischen Umstand aus ihrer Alltagswelt gerissen. Die neue Welt erscheint zunächst verlockend oder unterhaltsam, bringt aber bald ungeahnte Herausforderungen oder Konsequenzen mit sich. Durch einen inneren Wandel – meist Einsicht, Reue oder Verantwortung – kann die Figur den Zauber lösen oder in die Realität zurückkehren, gereift und verändert.
Typische Anwendung / Genres: Fantasy, Komödie, Magischer Realismus, Märchen, Kinder- und Familienfilm
Themen: Wünsche, Selbstfindung, Verantwortung, Werte, Identität, Veränderung. Ideal für moralische oder verspielte Erzählungen – besonders, wenn äußere Magie eine innere Entwicklung spiegelt. Perfekt für Geschichten über Sehnsucht und Reifung, mit leichtem oder märchenhaftem Ton.
Zentrale Tropes:
• Be Careful What You Wish For – Wünsche erfüllen sich auf unerwartete, oft problematische Weise
• Was wäre wenn? – eine alternative Realität zeigt, wie anders das Leben verlaufen könnte
• Wishing Makes It So – die Fantasie wird Realität
• Wish Gone Wrong – ein Wunsch führt zu Chaos oder Kontrollverlust
• Magischer Realismus – Magie erscheint mitten im Alltag, ohne Erklärung
• The Gift Comes with a Price – der Wunsch hat seinen Preis
• Die Welt durch Kinderaugen – oft verbunden mit Coming-of-Age-Motiven oder Naivität
Beispiele:
• Aladdin (Animationsfilm, USA) – Straßenjunge findet Wunderlampe – und wird zum Prinzen mit Gewissensfragen
• Big (Film, USA) – Junge wünscht sich, erwachsen zu sein – und muss mit den Folgen leben
• Der Wunschpunsch (Roman, Deutschland) – ein Zauberduell in der Silvesternacht entscheidet, ob die Welt untergeht
Magische Prämisse / Fluch ^
Diese Geschichten basieren auf einem übernatürlichen Fluch, einer Verhexung oder einem Bann, der das Leben der Hauptfigur verändert – und meist nur durch Selbstopfer, Läuterung oder das Lösen eines Rätsels aufgehoben werden kann.
Storykurve: Die Handlung vollzieht sich oft als Aufstieg & tiefer Fall, in dessen Verlauf sich ein scheinbarer Vorteil als gefährlicher Fluch entpuppt.
Erzählerischer Bogen: Die Figur gerät durch Schuld, Unwissenheit oder einen äußeren Auslöser unter einen Fluch. Anfangs wird dieser ignoriert oder unterschätzt, doch bald eskaliert die Bedrohung. Die Figur muss sich der Ursache stellen, oft begleitet von innerem Wandel, Erkenntnis oder Opfer. Je nach Genre bzw. Erzählton endet die Geschichte in Befreiung oder Untergang – oder aber ambivalent.
Typische Anwendung / Genres: Fantasy, Mystery, Gothic, Horror, Psychodrama, Märchen, Tragikomödie
Themen: Fluch, Schuld, Sühne, Verdrängung, Läuterung, Fremdbestimmung, Verwandlung. Perfekt für Stoffe über psychologische oder gesellschaftliche Muster, die durchbrochen werden müssen.
Zentrale Tropes:
• Breaking the Curse – die Suche nach Erlösung oder einem Gegenzauber
• The Marked One – die Figur trägt ein Zeichen oder Erbe, das sie verfolgt
• Eternal Recurrence – der Fluch wiederholt sich über Generationen
• The Price of Magic – eine frühere magische Handlung fordert ihren Tribut
• Becoming the Monster – die Figur verwandelt sich schleichend
• Unraveling the Past – der Schlüssel zur Befreiung liegt in der Vergangenheit
• Cursed Object / Haunted Inheritance – ein verfluchter Gegenstand oder Ort ist Auslöser
• Transformation Through Suffering – innerer Wandel durch äußeren Schrecken
Beispiele:
• Dornröschen (Märchen & Verfilmungen, international) – ein Fluch bringt das Leben einer Prinzessin zum Stillstand, bis wahre Liebe ihn löst
• The Ring (Film, Japan/USA) – verfluchtes Videotape bringt den Tod – es sei denn, das Rätsel wird gelöst
• Die Schöne und das Biest (Märchen & Film, FR/USA) – verfluchter Prinz kann nur durch Liebe seine Menschlichkeit zurückgewinnen
Portal ^
Die Portal-Geschichte lässt eine Figur durch ein reales oder symbolisches Tor in eine andere Welt eintreten – meist am ersten Plot-Point. Dort erlebt sie Prüfungen, entdeckt neue Wahrheiten und kehrt – gereift oder verändert – zurück. Die äußere Reise wird zur Metapher für eine innere Transformation.
Storykurve: Die Handlung verläuft oft als Aufstieg – Fall – Aufstieg: Mit dem Durchschreiten des Portals erlebt die Figur Staunen, Freiheit und neue Möglichkeiten, bevor Gefahren und Bedrohungen überwiegen und schließlich das Gleichgewicht in beiden parallelen Welten wiederhergestellt werden kann.
Erzählerischer Bogen: Die Hauptfigur entdeckt oder betritt ein Portal – z. B. ein Kleiderschrank, Spiegel, Gemälde, Tunnel, Buch – ein Schwellenobjekt, das sie in eine andere Realität führt. Das kann eine örtliche oder zeitliche Parallelwelt sein. Zunächst überwiegen Faszination, Entdeckungslust und Euphorie angesichts dieser neuen Welt mit ihren magischen Regeln und Bewohnern, die Orientierung geben – oder sie herausfordern. Doch bald offenbaren sich Risse: Die neue Welt ist bedroht oder aus dem Gleichgewicht geraten. In der Krise muss sie entweder etwas opfern oder eine schmerzhafte Wahrheit akzeptieren – sie erkennt ihre Verantwortung. Nun trifft sie eine mutige Entscheidung: aktiv einzugreifen, nicht mehr zu fliehen. Es folgt die entscheidende Tat, die nicht nur die parallele äußere Welt rettet oder heilt, sondern auch eine innere Transformation markiert. Mit dieser neuen Reife kehrt sie zurück in „ihre“ Welt – vielleicht an denselben Raum wie am Anfang, aber nicht mehr als dieselbe Person. Sie bringt ein „Geschenk“ aus der anderen Welt mit – Einsicht, Mut, Wahrheit, Freundschaft – und kann die reale Welt nun anders sehen oder gestalten.
Typische Anwendung / Genres: Fantasy, Urban Fantasy, Märchen, magischer Realismus, Kinder-/Jugend-/All-Age-Stoffe, Serien, Animationsfilm, moderne Mythen
Themen: Identitätsbildung, Reifung, Eskapismus, Übergänge, Traum und Trauma, Selbstermächtigung. Oft auch als Bewältigungsnarrativ lesbar – Verlust, Entfremdung, innere Konflikte werden in der Portalwelt gespiegelt und transformiert: Die Reise in bzw. durch die andere Welt verändert Sichtweisen, Beziehungen und oft das Selbstverständnis.
Zentrale Tropes:
• Die verborgene Tür / The Secret Portal – Eingang in eine andere Realität (Spiegel, Schrank, Tunnel…)
• Schwelle zwischen den Welten / Crossing the Threshold – mutiger Schritt ins Unbekannte
• Fish out of Water – die Figur kennt die Regeln der neuen Welt nicht
• Sense of Wonder – Staunen & Magie als Motor der Geschichte
• Gefährliches Paradies – Schönheit der Welt trügt, Preis für Magie
• Spiegelwelt / Mirror World – die andere Welt spiegelt Ängste, Wünsche oder Schattenaspekte
• Trial by Fire – Prüfung oder Kampf, die zur inneren Reife führt
• The Portal Closes – Rückweg wird versperrt, alles steht auf dem Spiel
• Gift from the Other World – Gabe, Erkenntnis oder neue Kraft nach Rückkehr
• Die zwei Welten berühren sich – reale und magische Welt vermischen sich am Ende
Beispiele:
• Alice im Wunderland (Roman & Film, UK/USA) – Mädchen fällt durch ein Kaninchenloch in eine surreale Welt
• Die unendliche Geschichte (Roman & Film, Deutschland) – Junge taucht in ein Buch ein – und wird Teil von Phantásien
• Die Chroniken von Narnia (Roman & Film, UK/USA) – vier Kinder treten durch einen Schrank in ein magisches Königreich
• Coraline (Roman & Film, USA) – Mädchen entdeckt Tür zu scheinbar perfekter Parallelwelt – die sich als tödliche Falle entpuppt
• Chihiros Reise ins Zauberland (Animationsfilm, Japan) – Mädchen gerät in die Geisterwelt – und muss ihre Eltern retten
• Pans Labyrinth (Film, Spanien/Mexiko) – Mädchen entflieht dem Grauen des Krieges in eine mythische Unterwelt
• Dark (TV-Serie, Deutschland) – eine Kleinstadt entdeckt ein Zeitreiseportal – und ein dunkles Familiengeflecht
Zeitreise ^
Im Zeitreise-Modell versetzt ein technisches, magisches oder unerklärliches Mittel eine Figur oder Gruppe in eine andere Zeit – Vergangenheit oder Zukunft, einmalig oder wiederholt. Diese Bewegung durch die Zeit verändert nicht nur äußere Ereignisse, sondern konfrontiert die Figur mit sich selbst, mit verlorenen Chancen, ungelösten Traumata oder einer möglichen Zukunft. Die Zeitreise wird somit zum Katalysator einer tiefgreifenden inneren Wandlung.
Storykurve: Die Struktur verläuft häufig als Aufstieg – Fall – Aufstieg: Die Figur erlebt zunächst die Euphorie oder das Staunen über die Möglichkeiten der Zeitreise, gefolgt von desillusionierenden Konsequenzen oder paradoxen Gefahren – bis sie eine persönliche Wahrheit erkennt und sich bewusst für oder gegen einen Eingriff in den Lauf der Zeit entscheidet.
Erzählerischer Bogen: Ausgangspunkt ist oft eine Unruhe, ein Verlust oder ein Wunsch nach Korrektur. Die Zeitreise wird durch ein Gerät, ein Ritual, ein Naturphänomen oder ein emotionales Extrem ausgelöst. In der neuen Zeit begegnet die Figur nicht nur fremden Gegebenheiten, sondern häufig sich selbst – in jüngerem Alter, als Elternteil, als zukünftiges Ich. Anfangs lockt die Möglichkeit, vergangene Fehler zu korrigieren oder das Schicksal zu beeinflussen. Doch bald wird klar: Zeit ist ein sensibles Gefüge. Eingriffe erzeugen neue Probleme, verschieben Beziehungen oder offenbaren unbequeme Wahrheiten. Die Figur steht vor einem ethischen oder emotionalen Dilemma: Bleibt sie Beobachterin oder greift sie ein? Der Wendepunkt liegt in der Erkenntnis, dass es weniger um das Ändern äußerer Umstände geht als um Akzeptanz, Reue oder Verantwortung. Die Rückkehr – oft erschwert oder verzögert – markiert nicht einfach ein Ende, sondern eine neue Haltung zur Gegenwart.
Typische Anwendung / Genres: Science-Fiction, Drama, Mystery, Romantik, Tragikomödie. Zeitreisegeschichten durchdringen immer öfter auch Serienformate und literarische Stoffe mit psychologischer oder philosophischer Tiefe.
Themen: Vergänglichkeit, Schuld, Vergebung, zweite Chancen, das Unumkehrbare, Selbstannahme. Die Zeitreise wird zur Bühne für existenzielle Fragen: Wer wäre ich geworden, wenn…? Darf ich in den Lauf der Zeit eingreifen? Oder: Was macht meine Gegenwart kostbar?
Zentrale Tropes:
• Back to the Past – Rückkehr an einen entscheidenden Punkt der eigenen Lebensgeschichte
• Future Shock – das Ich trifft auf eine beängstigende oder überhöhte Zukunft
• Grandfather Paradox – Eingriffe in die Vergangenheit erzeugen neue Dilemmata
• Multiple Timelines – parallele Versionen von Ereignissen oder Leben
• Time as Mirror – die Vergangenheit zeigt, was verdrängt wurde
• The Price of Change – Eingriffe in die Zeit haben einen hohen emotionalen Preis
• Personal Redemption – der Sprung durch die Zeit dient der Heilung
• Loop of Regret – wiederholte Versuche, etwas „richtig“ zu machen
• Return with Wisdom – das neue Wissen verändert die Gegenwart
• The Timeless Choice – am Ende geht es nicht um Kausalität, sondern um Haltung
Beispiele:
• Zurück in die Zukunft (Filmreihe, USA) – Teenager reist in Vergangenheit & Zukunft, um Familienkonflikte zu lösen
• 12 Monkeys (Film & Serie, USA) – Mann reist durch die Zeit, um eine Pandemie zu verhindern – und verliert sich im Chaos der Ursachen
• Donnie Darko (Film, USA) – ein junger Außenseiter entdeckt, dass er Teil einer instabilen Zeitlinie ist, deren Zusammenbruch ihn selbst betrifft
• Die Frau des Zeitreisenden (Roman, Film & Serie, USA) – bittersüßes Liebesdrama über ein Paar, das durch unfreiwillige Zeitreisen immer wieder auseinandergerissen wird
• Source Code (Film, USA) – Sci-Fi-Thriller über einen Soldaten, der denselben Zuganschlag immer wieder durchlebt, um den Täter zu finden – bis er beginnt, die Realität selbst infrage zu stellen
• About Time (Film, UK) – junger Mann nutzt Zeitreisen, um Liebe und Leben zu perfektionieren – bis er lernt, den Moment zu leben
• Interstellar (Film, USA) – Raum-Zeit-Reisen führen zu einer existenziellen Trennung zwischen Vater und Tochter, bis eine Entscheidung alles ändert
Zeitschleife ^
Das Zeitschleifen-Modell beschreibt Geschichten, in denen eine Figur in einer zeitlichen Endlosschleife gefangen ist – sie erlebt denselben Tag, dieselbe Situation oder dasselbe Ereignis immer wieder neu. Der narrative Reiz liegt in der Wiederholung und den daraus folgenden Veränderungen.
Storykurve: Der strukturelle Bogen vollzieht sich in der Regel als Fall & Aufstieg: Das Gefangensein in der Zeitschleife löst meist eine große Krise bei der Hauptfigur aus, die dazu führt, dass sie sich persönlich entwickelt und moralisch reift, wofür sie am Ende mit der Befreiung aus der Zeitschleife belohnt wird.
Erzählerischer Bogen: Zu Beginn erzählt die Geschichte Normalität, die durch das erstmalige Erleben der Zeitschleife (meist am ersten Plot-Point) erschüttert wird. Anfangs reagiert die Figur mit Verwirrung, Entdecken der neuen Möglichkeiten, Ausbruchversuchen, Frustration und schließlich Resignation. Mit der Zeit beginnt sie, sich innerhalb der Wiederholung zu verändern, neues Wissen anzuwenden oder emotional zu reifen. Die Auflösung erfolgt, wenn sie eine zentrale Einsicht gewinnt, sich selbst wandelt oder eine bestimmte Handlung vollzieht – und dadurch die Schleife durchbrochen wird.
Typische Anwendung / Genres: Sci-Fi, Mystery, Komödie oder metaphysische Dramen. Zeitschleifen eignen sich besonders für Geschichten über persönliche Wandlung, das Verhandeln philosophischer Fragen, die Kraft kleiner Entscheidungen oder das Thema Zeit als Prüfstein für das Ich.
Themen: Selbstveränderung, Reue, Moral, Erlösung, Loslassen, Kausalität, Schicksal und Freiheit. Häufig steht eine spirituelle oder moralische Lektion im Zentrum.
Zentrale Tropes:
• Groundhog Day Loop – wieder und wieder derselbe Tag
• Butterfly Effect – kleine Veränderungen mit großer Wirkung
• Repeat Until Correct – die Schleife endet erst mit einer inneren oder äußeren Korrektur
• Stuck in Time– ausgeliefert an eine höhere Logik
• Redemption Loop – Selbstverbesserung als Schlüssel zur Auflösung
• Time as Metaphor – die Schleife spiegelt eine emotionale oder psychische Blockade
Beispiele:
• Und täglich grüßt das Murmeltier (Film, USA) – zynischer Wettermoderator durchlebt denselben Tag immer wieder – bis er durch Empathie, Selbstreflexion und echte Veränderung den Kreislauf durchbricht
• Lola rennt (Film, Deutschland) – drei alternative Versionen desselben Tages zeigen, wie kleine Entscheidungen alles verändern können – bis Lola in der letzten Schleife eine Lösung findet, die Leben rettet
• Source Code (Film, USA) – Sci-Fi-Thriller über einen Soldaten, der denselben Zuganschlag immer wieder durchlebt, um den Täter zu finden – bis er beginnt, die Realität selbst infrage zu stellen
• Edge of Tomorrow (Film, USA) – unerfahrener Soldat stirbt immer wieder im Kampf gegen Aliens – und nutzt die Zeitschleife, um durch Training und Opferbereitschaft die Menschheit zu retten
• Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle (Roman, UK) – Mann erwacht täglich im Körper eines anderen Gastes und muss Mordfall lösen; erst als er sich für die Gerechtigkeit entscheidet, entkommt er der Zeitschleife
• Matrjoschka (TV-Serie, USA) – Frau stirbt wiederholt an ihrem Geburtstag – die Schleife zwingt sie, sich mit ihrer Vergangenheit, ihren Beziehungen und traumatischen Erlebnissen auseinanderzusetzen, bis sie echte Nähe zulassen kann
Ironische Heldenreise ^
Die ironische Heldenreise erzählt von einer ungeeigneten, überforderten oder widerwilligen Figur, die auf absurde, komische oder tragikomische Weise in eine klassische Heldensituation gerät. Doch anstelle heroischer Eigenschaften dominieren Pech, Scheitern, Widersprüchlichkeit – und gerade das macht sie berührend.
Storykurve: Die Handlung entspinnt sich meist als Fall & Wiederaufstieg, in dem das Scheitern nicht das Ende, sondern der Schlüssel zur Veränderung ist.
Erzählerischer Bogen: Die Geschichte beginnt mit einer scheinbar ungeeigneten oder völlig unwilligen Figur, die durch äußere Umstände oder absurde Zufälle auf eine Art Reise geschickt wird. Dabei stolpert sie durch Herausforderungen, wird unterschätzt, scheitert peinlich – doch gerade in diesen Momenten entsteht Empathie. Durch eine Reihe von Missverständnissen, kleinen Erfolgen, skurrilen Begegnungen und innerem Wachstum findet sie zu einer unerwarteten Form von „Heldentum“. Am Ende steht keine große Tat, sondern eine kleine, aber bedeutsame Veränderung – für sich selbst oder andere.
Typische Anwendung / Genres: Tragikomödien, Sozialgrotesken, Indie-Komödien, Culture-Clash-Geschichten oder Erzählungen rund um Antihelden. Auch Satiren und absurde Dramen nutzen die Struktur, um mit dem Mythos der Heldenreise zu brechen – oft liebevoll, manchmal bitterböse.
Themen: Thematisch kreist die ironische Heldenreise um Identität, Selbsttäuschung, das Scheitern am großen Anspruch – und die Menschlichkeit im Kleinen. Der *Held* ist oft fehl am Platz, zu schwach, zu schräg, zu emotional – aber gerade das macht ihn nahbar. Transformation geschieht widerwillig, ungewollt, oder wird im Nachhinein sichtbar. Oft zeigt sich, dass Größe in kleinen Taten liegt – oder dass eine Figur durch ihre Unvollkommenheit etwas in anderen verändert.
Zentrale Tropes:
• Reluctant Hero / Unfit Hero / Accidental Hero – die Figur will nicht, kann nicht oder versteht gar nicht, dass sie in einer Heldengeschichte steckt – wird aber dennoch zur zentralen Kraft der Veränderung
• Laughable Underdog – jemand, der aufgrund von Schwächen, Naivität oder Peinlichkeit belächelt wird – aber trotzdem oder gerade deswegen über sich hinauswächst
• Fish Out of Water – die Figur ist in einer ihr völlig fremden Welt – sozial, kulturell oder emotional – und sorgt durch Missverständnisse und Reibung für Konflikte, aber auch Erkenntnisse
• Heroic Bumbler – ein unbeholfener Tollpatsch, der ohne Plan durch die Geschichte stolpert, dabei aber versehentlich das Richtige tut oder andere Menschen bewegt
• The Fool with a Heart of Gold – eine scheinbar naive, schräge oder kindliche Figur, deren Güte und Ehrlichkeit letztlich eine heilsame Wirkung auf andere haben
• Held durch Zufall / Stumbled Into the Plot – die Geschichte beginnt nicht mit einem Ziel, sondern mit einem Irrtum, Zufall oder Missverständnis – das die Figur ungewollt ins Zentrum der Handlung katapultiert
• Das große Missverständnis / Misunderstood Genius / Mistaken Identity – die Figur wird für etwas gehalten, das sie gar nicht ist – etwa ein Held, Retter oder Genie – und spielt (notgedrungen) die Rolle weiter, bis sie sich tatsächlich verändert
• Peinlicher Tiefpunkt / Comedic Failure – ein Moment des totalen Versagens, meist sozial oder emotional – oft komisch, aber auch berührend – markiert den Wendepunkt der Geschichte
• Too Dumb to Fail – die Figur scheitert nicht, weil sie besonders klug oder geschickt ist – sondern weil sie so wenig versteht, dass sie unabsichtlich Hindernisse meistert oder sich Gefahren entzieht
• Triumph trotz Tollpatschigkeit – der Erfolg am Ende ist nicht Ergebnis von Planung oder Stärke, sondern von Menschlichkeit, Herzenswärme oder reiner Beharrlichkeit – manchmal auch von Glück
• Kleine Tat, große Wirkung / Small Act, Big Impact – ein kleiner, unscheinbarer Schritt der Figur – etwa ein Gespräch, eine Geste oder ein Entschluss – entfaltet ungeahnte Wirkung auf andere oder die Welt
• Earned Smile – am Ende steht kein Triumph, sondern ein Lächeln – ehrlich verdient nach viel Scheitern, Schmerz und Veränderung. Ein stiller Moment von Würde und Erkenntnis
Beispiele:
• Per Anhalter durch die Galaxis (Roman & Film, UK) – Normalo stolpert durch ein absurdes Universum und wird wider Willen zum Überlebenden
• Forrest Gump (Film, USA) – naiver Außenseiter beeinflusst durch seine Unschuld historische Ereignisse
• The Big Lebowski (Film, USA) – lethargischer Kiffer gerät in ein kriminelles Komplott – und bleibt sich dabei treu
• Little Miss Sunshine (Film, USA) – eine schräge Familie scheitert sich zum Glück
• Napoleon Dynamite (Film, USA) – Außenseiter wird durch Schrulligkeit zum Helden
• Toni Erdmann (Film, Deutschland) – kauziger Vater durchbricht mit absurdem Humor die emotionale Starre seiner Tochter
• Fleabag (TV-Serie, UK) – selbstironische, gebrochene Frau stolpert durch ihr Leben – und wächst daran
Dunkle Heldenreise ^
Die Reise einer ambivalenten, zerrissenen oder machtgetriebenen Figur, deren moralische Abgründe zur Triebfeder werden. Die Wandlung eines Helden in einer düsteren, moralisch ambivalenten Welt.
Storykurve: Typisch sind die Kurven Aufstieg – Fall oder Fall – Aufstieg – Fall: Die Figur geht einen Weg der Macht oder des Erfolgs, doch Hybris, moralische Grenzüberschreitungen oder innere Leere führen in einen tiefen, oft fatalen Abgrund.
Erzählerischer Bogen: Die Figur beginnt in einer verletzlichen oder unauffälligen Position, oft mit einem Gefühl der Ohnmacht oder des Mangels. Ein äußerer Konflikt oder eine Versuchung ruft verborgene Kräfte oder Ambitionen in ihr wach – häufig Macht, Einfluss oder Rache. Auf dem Weg zum Erfolg oder zur Selbstermächtigung überschreitet sie zunehmend moralische Grenzen. Der Aufstieg geht mit innerer Verrohung oder Isolation einher. In der zweiten Hälfte der Geschichte wird deutlich, dass der Preis für Macht hoch ist: Die Figur entfremdet sich, verletzt andere – oder sich selbst. Am Ende steht nicht selten der Untergang oder eine bittere Selbsterkenntnis. In manchen Fällen überlebt die Figur äußerlich, hat jedoch innerlich alles verloren.
Typische Anwendung / Genres: Psychodrama, Tragödie, Neo-Noir, Thriller, Gangsterfilm, Charakterstudie, Anti-Biopic, postmoderne Serienformate
Themen: (Faszination für) Macht und moralischer Verfall, Schuld, Abstieg, Rebellion, Egoismus vs. Verantwortung, dunkle Seite der Selbstermächtigung
Die dunkle Heldenreise kehrt die klassische Heldenreise um: Die Figur wählt ihren Weg oft bewusst gegen das „Gute“ – oder wird durch äußeren Druck in moralisch komplexe Situationen getrieben. Der Wandel ist nicht Läuterung, sondern oft Selbstzerstörung oder bewusste Grenzüberschreitung.
Zentrale Tropes:
• Fall from Grace – moralischer oder gesellschaftlicher Sturz
• The Path of No Return – bewusste Entscheidung für den gefährlichen Weg
• Power Corrupts – Macht korrumpiert die Figur zunehmend
• Crossing Moral Lines – wiederholte Überschreitungen ethischer Grenzen
• Sympathy for the Devil – Publikum empfindet trotz allem Mitgefühl
• No Redemption – keine Erlösung oder Läuterung möglich
• Evil Is Not Born, It’s Made – die Figur wird durch Umstände geformt
• Karmic Downfall – die Konsequenz folgt unausweichlich
Beispiele:
• Fight Club (Film, USA) – namenloser Mann zerschlägt die Konsumwelt – und sich selbst
• Breaking Bad (TV-Serie, USA) – Chemielehrer wird zum Drogenboss
• Joker (Film, USA) – Ausgestoßener dreht durch – und wird zur Ikone des Chaos
• Der goldene Handschuh (Film, Deutschland) – Alkoholiker verwahrlost zum Serienmörder
• Nightcrawler (Film, USA) – skrupelloser Videoreporter macht Karriere im Elend anderer
• House of Cards (TV-Serie, USA) – machtgieriger Politiker steigt auf – durch Verrat und Mord
Fallen. Brechen. Aufstehen. ^
Dieses auch als „Mann im Loch“ (Begriff nach Kurt Vonnegut) bekannte Storymodell beschreibt eine Geschichte, in der die Hauptfigur im ersten Teil der Handlung – meist am ersten Plot-Point – in eine schwerwiegende, oft persönliche und existenzielle Krise gerät – und sich aus eigener Kraft (oder durch eine kleine Hilfe) wieder herausarbeitet.
Storykurve: Die Handlungskurve folgt dem Muster Fall & Wiederaufstieg: Die Figuren erleben einen existenziellen Einbruch – ob persönlich, beruflich oder emotional. Nach dem tiefsten Punkt erfolgt kein heroischer Triumph, sondern eine stille, oft unscheinbare, aber umso bedeutsamere Wendung. Der Aufstieg ist leise, reift von innen und führt zu einer neuen Haltung – nicht zurück zum Alten, sondern vorwärts mit mehr Demut, Klarheit oder Mitgefühl.
Erzählerischer Bogen: Die Figur lebt zunächst in einem scheinbar funktionierenden Alltag – mit Routinen, Beziehungen oder Erfolgen, die stabil wirken. Doch eine Krise – ein Verlust, eine Krankheit, ein Versagen – stürzt sie in ein emotionales oder existenzielles Loch. In dieser dunklen Phase drohen Rückzug, Ohnmacht oder Selbstzweifel. Doch aus der Tiefe wächst eine neue Perspektive: durch Selbstreflexion, menschliche Nähe oder kleine Schritte der Veränderung. Die Figur beginnt, sich langsam zu regenerieren – nicht durch äußeren Erfolg, sondern durch neue Klarheit, Annahme und Selbstverantwortung. Der Wiederaufstieg ist leise, aber authentisch – oft geprägt von innerer Ruhe, neuem Sinn oder der Fähigkeit, das Leben wieder anzunehmen.
Typische Anwendung / Genres: Drama, Komödie, Psychodrama, Thriller, Midlife, Character Piece, Recovery-Story, leise Heldenreise
Themen: Innere Krise, Selbstfindung, Depression, Sinnsuche, Reue, Isolation, Reifung, Identität, Alltagsüberforderung, Kreativitätskrise, Verlust, Heilung. Dieses Modell eignet sich besonders für Geschichten über menschliche Schwäche, über das Scheitern – aber auch über Resilienz, kleine Schritte der Hoffnung und echte emotionale Entwicklung.
Zentrale Tropes:
• Verlust der Unschuld – Naivität oder Leichtigkeit weicht Realität
• Break the Cutie – eine liebenswerte Figur wird vom Leben gebrochen
• Darkest Hour – Tiefpunkt der emotionalen, persönlichen Krise
• Wounded Hero – innere Verletzungen als Motor der Geschichte
• Wiederaufstehen – kein Happy End, aber Wachstum, Erkenntnis, neue Haltung
• Quiet Triumph – kleine, aber bedeutende Veränderung
• Life Kicks You Down – But You Walk On – tragikomisches Weitermachen
Beispiele:
• Das Streben nach Glück (Autobiographie & Film, USA) – Mann verliert Job und Frau, er kämpft sich mit seinem Sohn durch Obdachlosigkeit und Rückschläge – sein Durchhalten führt zu einem neuen Leben als Investmentbanker
• Gegen die Wand (Film, Deutschland/Türkei) – zwei entwurzelte Menschen stürzen sich in eine Scheinehe, um der eigenen Leere zu entkommen – nach Drogen, Gewalt und Verlust entwickelt sich ein stiller Neubeginn
• Der Geschmack von Rost und Knochen (Kurzgeschichte & Film, Frankreich) – zwei Versehrte finden zueinander – und Heilung
• Der Trafikant (Roman/Film, Österreich) – junger Mann erlebt in Zeit des Nationalsozialismus Liebe, Verlust und politische Gewalt – und findet durch Schmerz zu innerer Reife
• Die Wand (Roman/Film, Österreich/Deutschland) – Frau wird durch unsichtbare Barriere von der Welt abgeschnitten – ihr Rückzug wird zur existenziellen Prüfung und zur allmählichen Selbstfindung im völligen Alleinsein
Vom Tellerwäscher zum Millionär ^
In diesem klassischen Erfolgsmodell steigt die Hauptfigur von bescheidenen, oft prekären Verhältnissen zu Ruhm, Reichtum oder gesellschaftlicher Anerkennung auf. Dabei steht nicht nur äußerer, sondern auch persönlicher Wandel im Fokus.
Storykurve: Hier dominiert der reine Aufstieg von ganz unten bis ganz nach oben – mit harter Arbeit, cleverem Handeln oder Glück. Rückschläge sind meist kurz, der Fokus liegt auf Überwindung und Aufstieg als Selbstverwirklichung.
Erzählerischer Bogen: Die Geschichte beginnt im sozialen oder emotionalen Abseits: Die Figur wächst in Armut, Benachteiligung, Ablehnung oder Unsichtbarkeit auf. Sie trägt jedoch einen Traum oder eine Begabung in sich, die zunächst niemand erkennt – manchmal nicht einmal sie selbst. Durch eine Begegnung, eine Chance oder eine mutige Entscheidung beginnt ein Weg nach oben. Die Figur arbeitet hart, überwindet Hindernisse und wächst mit jeder Herausforderung. Der Durchbruch erfolgt durch Leistung, Haltung oder Ausdauer – oft gegen Widerstände. Auf dem Höhepunkt stehen Erfolg, Anerkennung oder gesellschaftlicher Aufstieg. Am Ende blickt die Figur zurück – und erkennt, dass nicht Reichtum oder Ruhm entscheidend sind, sondern die Identität, die sie auf dem Weg dorthin gefunden hat.
Typische Anwendung / Genres: Biopic, Musikfilm, Märchen, Sportfilm, Unternehmerstory, Erfolgsdrama, Feel-Good-Film, Motivationsfilm
Themen: Gerechtigkeit, Talent, Chancengleichheit, soziale Mobilität, Selbstvertrauen, Entschlossenheit, Selbstverwirklichung. Das Modell idealisiert oft den kapitalistischen Traum – kann aber auch gebrochen oder ironisch erzählt werden (siehe z. B. „The Wolf of Wall Street“).
Zentrale Tropes:
• Underdog to Star – eine unterschätzte Figur wächst über sich hinaus
• The Big Break – der Moment, der alles verändert
• Make It Big – von ganz unten nach ganz oben
• Rags to Riches – vom Elend zum Erfolg
• The Long Climb – harter, aber konsequenter Weg nach oben
• Talent Will Out – wahres Können setzt sich durch
• Bittersüßer Ruhm – Erfolg hat seinen Preis (optional)
Beispiele:
• Rocky (Film, USA) – einfacher Boxer erhält unerwartete Chance und wächst über sich hinaus
• 8 Mile (Film, USA) – junger Rapper aus schwierigen Verhältnissen kämpft sich in die Musikszene
• Slumdog Millionaire (Film, UK/Indien) – Straßenjunge beantwortet im TV-Quiz Fragen aus seinem Leben und findet Liebe sowie Gerechtigkeit
Aschenputtel ^
Das Aschenputtel-Modell erzählt von einer übersehenen, unterschätzten oder unterdrückten Figur, die durch innere Stärke, Hoffnung und Transformation schließlich Anerkennung, Würde oder Glück findet.
Storykurve: Typisch ist der Verlauf Aufstieg – Fall – Aufstieg: Die Figur erfährt zunächst eine Verbesserung ihrer Lage oder einen Moment der Sichtbarkeit, verliert diesen kurzzeitig wieder – und findet dann gestärkt zu sich selbst und zu einem dauerhaften, selbstbestimmten Aufstieg.
Erzählerischer Bogen: Die Geschichte beginnt in einem Zustand der Ausgrenzung, Missachtung oder Armut: Die Figur lebt in einer erniedrigenden, ungesehenen oder marginalisierten Rolle – etwa als Dienerin, Außenseiterin oder unterschätztes Talent. Oft ist sie von familiären, gesellschaftlichen oder inneren Einschränkungen geprägt. Doch sie trägt eine stille Hoffnung, einen inneren Glanz oder ein verborgenes Potenzial in sich. Eine erste Wendung – etwa durch einen Mentor, eine Einladung oder einen besonderen Moment – lässt sie kurz aufblühen, schenkt Hoffnung oder öffnet neue Möglichkeiten. Doch darauf folgt oft ein Rückschlag: Der äußere Glanz bricht ein, der Erfolg scheint nur geliehen gewesen zu sein. In dieser Krise entscheidet sich die Figur zur Selbstermächtigung. Sie beginnt, aus eigener Kraft für sich einzustehen, entdeckt ihre innere Stärke und findet einen Weg, ihr wahres Selbst in der Welt zu zeigen. Am Ende wird sie gesehen, anerkannt – und kehrt verwandelt zurück: nicht durch Magie oder äußere Hilfe, sondern durch Mut, Würde und Selbstbehauptung.
Typische Anwendung / Genres: Typisch ist das Modell für romantische Komödien, Empowerment-Filme, märchenhafte Stoffe und Romantasy – oft mit weiblicher Figur. Es findet sich auch in Kinderfilmen, Sportdramen oder Künstler-Biografien wieder.
Themen: Thematisch kreist das Modell um Sehnsucht, Selbstwert, Transformation und soziale Ungerechtigkeit. Es verleiht marginalisierten Stimmen Gewicht und zeigt, dass Anerkennung verdient werden kann – durch Würde, nicht durch Herkunft. Die Märchenstruktur wird dabei oft ironisch oder modern gebrochen.
Zentrale Tropes:
• Vom hässlichen Entlein zum Schwan – eine unscheinbare Figur wird zur strahlenden Hauptfigur
• Böse Stiefmutter – Unterdrückung durch eine dominante Bezugsperson oder gesellschaftliche Ordnung
• Stille Wasser sind tief – unterschätzte Figuren besitzen innere Größe
• Magical Makeover / Makeover Montage – Transformation durch äußere und innere Veränderung
• Cinderella Transformation – plötzliches Aufblühen, häufig durch symbolische Hilfe
• Glanzmoment – die Figur darf einmal ganz sie selbst sein und strahlen
• Märchenhafte Wendung – das Leben belohnt Mut und Echtheit
Beispiele:
• Cinderella (Märchenverfilmungen) – archetypisches Beispiel für das Modell
• Jane Eyre (Roman & Film, UK) – aus der verachteten Gouvernante wird eine geachtete Frau
• Pretty Woman (Film, USA) – moderne Märchenvariante mit klassischer Struktur
• Billy Elliot (Film & Musical, UK) – Arbeiterkind folgt seinem Traum vom Tanzen
Ikarus ^
Das Ikarus-Modell erzählt von einer Figur, die rasant aufsteigt (oder bereits aufgestiegen ist) – sei es durch Talent, Wagemut oder Vision – und schließlich durch Übermut, Selbstüberschätzung oder eine tiefe innere Leerstelle zu Fall kommt.
Storykurve: Die Storykurve vollzieht einen Aufstieg & tiefen Fall – oder aber nur einen tiefen Fall: Auf die Phase der Bewunderung, Euphorie oder des Erfolgs folgt der Absturz – oft tragisch, manchmal selbstverschuldet, manchmal unausweichlich.
Erzählerischer Bogen: Der dramaturgische Bogen beginnt mit dem Aufstieg der Figur, die durch Talent, Ehrgeiz oder Außenseitertum auf sich aufmerksam macht. Sie gewinnt Einfluss, Bekanntheit oder Macht – doch ihr Höhenflug ist nicht stabil: Innere Leere, verdrängte Wunden, Größenwahn oder gesellschaftlicher Druck führen zu Fehlentscheidungen oder Grenzüberschreitungen. Der Fall ist tief – sei es durch Skandal, Krankheit, Isolation oder Tod. Am Ende steht keine Erlösung, sondern das Scheitern eines Traums – manchmal als Warnung, manchmal als melancholische Elegie.
Typische Anwendung / Genres: Das Modell wird häufig in Künstlerbiografien, Gangsterfilmen, Gesellschafts- oder Coming-of-Fame-Dramen eingesetzt. Es eignet sich besonders für Antiheld/innen, zerrissene Genies oder Idealist/innen, deren Überzeugung ins Destruktive kippt.
Themen: Hybris, Fallhöhe, Selbstzerstörung, aber auch das Streben nach Bedeutung, die Sehnsucht nach Liebe oder Wahrheit – und die Frage, was Erfolg den Menschen wirklich kostet. Oft bleibt der Blick ambivalent: Die Figur scheitert, aber sie hat auch geleuchtet.
Zentrale Tropes:
• Genie & Wahnsinn– brillante Figuren, die an sich selbst zerbrechen
• Selbstzerstörung – destruktive Muster, die sich trotz Erfolg verstärken
• Am Erfolg verbrennen – Ruhm oder Macht führen nicht zur Erfüllung, sondern zum Verhängnis
• Fallhöhe – je höher der Aufstieg, desto tiefer der Fall
• Hybris – die Figur glaubt sich über menschliche Grenzen erhaben
• Tragisches Genie – großes Talent ohne Lebensbalance
Beispiele:
• Der große Gatsby (Roman, USA) – selbsterschaffener Aufsteiger zerbricht an seiner Illusion
• Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (Film, Deutschland) – der Absturz eines jungen Mädchens in die Drogensucht
• Amadeus (Film, USA) – das Genie Mozarts wird von seinem Glanz und Neid zerstört
• Whiplash (Film, USA) – Musikstudent riskiert alles – auch sich selbst – für Perfektion
• Requiem for a Dream (Film, USA) – vier Figuren träumen vom Aufstieg – und verlieren sich in der Sucht
• Black Swan (Film, USA) – der Tanz zur Vollkommenheit endet in psychischem Zusammenbruch
• Tausend Zeilen Lüge (Film, Deutschland) – Journalist erfindet Storys – und wird enttarnt
Ödipus ^
Das Ödipus-Modell erzählt von einer Figur, die nach Wahrheit sucht – über sich selbst, ihre Herkunft oder die verborgene Ordnung der Welt. Dabei enthüllt sie ein schockierendes Geheimnis, das oft eng mit ihrer eigenen Identität verknüpft ist.
Storykurve: Die Storykurve folgt meist einem tiefen Fall: Je näher die Wahrheit rückt, desto größer wird die Fallhöhe – denn Selbsterkenntnis bedeutet hier nicht Erlösung, sondern Zerstörung.
Erzählerischer Bogen: Der dramaturgische Bogen beginnt meist mit einem Zustand der Unwissenheit oder Selbsttäuschung: Die Figur lebt in einer scheinbar funktionierenden Welt, ahnt aber eine tieferliegende Unstimmigkeit. Ein Auslöser – etwa ein Hinweis, Zweifel oder ein Vorfall – setzt eine oft obsessive Wahrheitssuche in Gang. Je mehr sie aufdeckt, desto mehr gerät ihr Weltbild ins Wanken. Die Erkenntnis kulminiert in einer schmerzhaften Enthüllung, die oft mit Schuld, Identitätsverlust oder existenziellem Zusammenbruch einhergeht. Die Geschichte endet tragisch, aber mit einer bitteren Form von Klarheit.
Typische Anwendung / Genres: Das Modell ist typisch für Enthüllungsdramen, Kammerspiele, psychologische Geschichten oder Familiengeheimnisse. Es eignet sich besonders für Figuren, die zwischen Selbstbild und Wahrheit zerrieben werden – oft mit tragischer Ironie.
Themen: Wahrheit und Täuschung, Herkunft und Identität, Schuld, Schicksal und Erkenntnis. Es stellt die Frage: Wollen wir die Wahrheit wirklich wissen – auch wenn sie alles zerstört?
Zentrale Tropes:
• Tragische Ironie – das Publikum weiß mehr als die Figur
• Schrittweise Enthüllung – Puzzle-Struktur, bei der ein Bild langsam klar wird
• Die Wahrheit liegt im Innersten – Geheimnisse in der Familie, der eigenen Geschichte
• Selbsterkenntnis als Untergang – Wahrheit führt nicht zu Freiheit, sondern zum Zerfall
• Genie und Wahnsinn – Erkenntnis treibt die Figur an den Rand
• Tabubruch – das enthüllte Geheimnis übersteigt das moralisch Erträgliche
Beispiele:
• Homo Faber (Roman, Schweiz) – rationaler Ingenieur erkennt, dass die junge Frau, mit der er eine Beziehung hat, seine eigene Tochter ist
• Oldboy (Film, Südkorea) – Mann deckt das Geheimnis seiner Entführung auf – und erfährt, dass er unwissentlich eine inzestuöse Beziehung mit seiner Tochter geführt hat
• Die Blechtrommel (Roman & Film, Deutschland) – eine Kindfigur erkennt rückblickend, dass er selbst Täter wurde, indem er zu Morden schwieg, log, Menschen sterben ließ – und so Teil jener Schuld wird, die er eigentlich verachten wollte
• Das Fest (Film, Dänemark) – ein Familienessen wird zur Enthüllung des sexuellen Missbrauchs durch den Vater – die verdrängte Wahrheit zerstört das Familienkonstrukt
• The Machinist (Film, USA/Spanien) – Schlaflosigkeit und Wahn führen zur Erkenntnis: er selbst hat einen Jungen überfahren und seine Schuld verdrängt
• Memento (Film, USA) – Mann sucht den Mörder seiner Frau – bis er begreift, dass er wahren Täter längst gefunden und getötet hat, sich aber selbst belügt, um seiner Leere zu entkommen und seinem Leben weiter Sinn zu geben
• The Others (Film, Spanien/USA) – Mutter lebt mit ihren Kindern in Angst – bis sie erkennt, dass sie selbst die Geister sind
• Shutter Island (Roman & Film, USA) – vermeintlicher Ermittler erkennt, dass er selbst der Gesuchte ist
Faust / Pakt mit dem Teufel ^
Das Storymodell „Faust / Pakt mit dem Teufel“ steht für Geschichten, in denen eine Figur aus einer tiefen Sehnsucht oder Not heraus ein extrem verlockendes Angebot bekommt und einen Pakt oder unmoralischen Handel eingeht. Der Preis dafür ist jedoch hoch: Seelenverlust, Schuld, Abhängigkeit oder moralischer Verfall.
Storykurve: Das Faust-Modell erzählt die Geschichte von Aufstieg und Fall: Der Pakt führt die Hauptfigur zunächst zu ihrem Ziel. Doch als ihr die Kehrseite des Pakts bewusst wird, beginnt der Fall, begleitet von innerer Zerrissenheit und äußeren Verlusten. Die Figur bezahlt den Pakt mit ihrer Seele, Integrität oder der Liebe. Am Ende steht die oft ambivalente Erlösung – durch Einsicht, Opfer oder Rettung.
Erzählerischer Bogen: Aus einem existenziellen Mangel oder Überdruss heraus lässt sich die Hauptfigur auf einen folgenschweren Pakt oder unmoralischen Deal mit einer dunklen Macht/Instanz ein, der scheinbar Befreiung bringt. Ihr starker Wunsch nach Liebe, Wissen, Macht, Erfolg, Bedeutung, Reichtum, Jugend, Schönheit oder Unsterblichkeit treibt die Figur an und zunächst erlebt sie einen Aufstieg – beruflich, sozial, intellektuell oder emotional. Doch der Preis für die Grenzüberschreitung ist hoch: moralische Korruption, seelische Zerrissenheit, Identitätsverlust, Schuld, Zwang oder schmerzhafte Verluste. Der Aufstieg wird zur Verstrickung, der Genuss zur Abhängigkeit. Die Figur ringt damit, alles ungeschehen zu machen, doch der Pakt fordert seinen ganzen Preis (öffentlicher Skandal, Tod eines geliebten Menschen, Selbstzerstörung). Die Figur verliert sich selbst – entweder buchstäblich (Wahnsinn) oder innerlich (Zynismus, Entfremdung, Seelenleere). Am Ende erkennt die Figur, was sie wirklich verloren hat – und wer sie geworden ist – mit tragischem, bitterem oder (selten) erlösendem Ausgang.
Typische Anwendung / Genres: Psychologische Dramen, philosophische Stoffe, Coming-of-Ambition, Serien über Macht und Moral, Tragikomödien, Künstlerbiografien. Das Storymodell eignet sich besonders für Geschichten, die Grenzüberschreitungen, Selbstüberschätzung oder den Preis von Gier und Sehnsucht ins Zentrum stellen – von klassischem Theater bis zu modernen Prestige-Dramen und Serien über „tragisch getriebene Genies“.
Themen: Sehnsucht nach Sinn, Hybris, Verführung/Versuchung, moralischer Verfall, Freiheit vs. Abhängigkeit (Wer zieht die Fäden?), Erlösung vs. Verdammnis. Die Geschichte kreist um den gefährlichen Wunsch, mehr zu sein als ein Mensch – klüger, mächtiger, ewig jung oder vollkommen, der letztendlich aber zur inneren Entfremdung, zum Verlust der Menschlichkeit und zu zerstörerischen Konsequenzen führt. Die zentrale Frage lautet: Was ist der Mensch bereit zu opfern, um seine tiefste Sehnsucht oder seinen größten Wunsch zu stillen?
Zentrale Tropes:
• Ein unmoralisches Angebot – Figur bekommt ein verlockendes Angebot (Geld, Macht, Rettung), das sie nicht ausschlagen kann – obwohl es gegen ihre moralischen Werte oder tiefsten Überzeugungen verstößt
• The Deal with the Devil – Figur geht folgenschweren Pakt ein – mit dunkler Macht oder moralisch zweifelhafter Instanz
• Be careful what you wish for – erfüllter Wunsch bringt ungeahnte Konsequenzen – das vermeintliche Geschenk wird zur Last
• Moral Descent / Corruption Arc – Figur beginnt idealistisch oder unschuldig – und sinkt immer tiefer in Schuld, Egoismus oder Selbstverrat
• Forbidden Knowledge / Power – Figur strebt nach übermenschlicher Erkenntnis, Kontrolle oder Einfluss – jenseits ethischer Grenzen
• Temptation Figure – charismatische Figur (z.B. Mephisto) verführt, drängt oder lockt – oft mit süßem Gift
• Double Life / Hidden Self – nach außen Erfolg, innen Schuld und Zerrissenheit – oder zwei Identitäten, die zunehmend kollidieren
• The Price Must Be Paid – am Ende fordert der Pakt seinen Preis – Verlust, Schmerz oder Tod sind unausweichlich
• Last-Minute Realization – Figur erkennt (zu spät), dass sie sich selbst verraten oder alles verspielt hat
• Ambiguous Salvation – Erlösung ist möglich – aber nicht sicher; Geschichte endet offen, bitter oder bittersüß
Beispiele:
• Faust (Theaterstück, Deutschland) – Gelehrter schließt Pakt mit Teufel, um grenzenlose Erkenntnis und Lebenslust zu erlangen – verliert dabei sich selbst und zerstört Gretchen
• Das Bildnis des Dorian Gray (Roman, UK) – junger Mann verkauft seine Seele für ewige Jugend – sein Porträt altert und zeigt seine Schuld, während er selbst äußerlich makellos bleibt
• Dr. Faustus (Theaterstück, England) – Magier verkauft seine Seele für 24 Jahre Macht und Wissen – erkennt zu spät, dass der Preis sein ewiges Seelenheil ist
• Tim Thaler (Roman & TV-Serie, Deutschland) – Junge verkauft sein Lachen für die Fähigkeit, jede Wette zu gewinnen – merkt, dass er damit sein innerstes Glück verloren hat
• Im Auftrag des Teufels (Roman & Film, USA) – ambitionierter Anwalt steigt in Top-Kanzlei auf – bis er erkennt, dass sein Chef der Teufel ist und er selbst seine Seele für Erfolg, Macht und Eitelkeit geopfert hat
• Ein unmoralisches Angebot (Film, USA) – Millionär bietet jungem Paar 1 Million Dollar für eine Nacht mit der Frau
• Supernatural (TV-Serie, USA) – Brüder jagen Dämonen und Monster, doch um einander zu retten, gehen sie immer wieder Deals mit Höllenmächten ein
Wahnsinn / Zerfall ^
Dieses Modell erzählt von einer Figur, deren Realität sich schleichend auflöst – innerlich wie äußerlich.
Storykurve: Die Geschichte reflektiert meist einen tiefen Fall: Der mentale oder emotionale Zerfall steht im Zentrum, oft ausgelöst durch Trauma, Isolation oder verdrängte Wahrheiten. Was real ist und was Einbildung, bleibt zunehmend unklar – für die Figur ebenso wie für das Publikum.
Erzählerischer Bogen: Die Handlung beginnt meist mit einer scheinbar normalen, stabilen Ausgangssituation, in der die Figur erste Risse in der Wahrnehmung oder im eigenen Verhalten erlebt. Mit fortschreitender Handlung häufen sich irritierende Ereignisse, Wahrnehmungsverzerrungen oder Brüche in Raum und Zeit. Die Figur verliert zunehmend den Halt, verfängt sich in Paranoia, Albträumen oder Halluzinationen. Oft erkennt sie zu spät, dass der Feind in ihr selbst liegt. Die Geschichte endet in Isolation, Wahnsinn oder im vollständigen Identitätsverlust – manchmal auch in einer ambivalenten, offenen Auflösung.
Typische Anwendung / Genres: Das Modell ist besonders geeignet für psychologische Dramen, surreale Horrorfilme oder Erzählungen über den inneren Abgrund. Es entfaltet seine Wirkung besonders dann, wenn formale Mittel (Perspektive, Zeit, Raum, Ton) die Fragmentierung des Ichs unterstützen.
Themen: Identitätsverlust, Selbsttäuschung, Wahnsinn, Realität vs. Einbildung, Trauma und Isolation. Die Geschichte spiegelt oft eine psychische Krise oder innere Spaltung, manchmal auch gesellschaftliche Entfremdung oder kreative Zerrissenheit.
Zentrale Tropes:
• Creeping Madness – der Wahnsinn kommt schleichend
• Unreliable Narrator – die Figur (oder Perspektive) ist nicht vertrauenswürdig
• Fractured Mind / Split Identity – Identität zerfällt, zweite Ichs erscheinen
• Doppelgänger, The Enemy Within, Locked-In Syndrome, The Hidden Conspiracy, Lost Memory – diese Tropes spiegeln das zentrale Motiv der Wahrheitssuche unter erschwerten, oft bedrohlichen Umständen
• Dream or Reality? – Realität und Einbildung verschwimmen
• Hall of Mirrors – symbolische oder buchstäbliche Spiegelungen
• Isolation Spiral – zunehmender Rückzug, soziale Entkopplung
• Madness Mantra – wiederkehrende Sätze, Symbole oder Rituale
• Going Mad / Seeing Things – visuelle oder akustische Halluzinationen
• The Mind Screw – absichtlich desorientierende Erzählweise
Beispiele:
• Der Steppenwolf (Roman, Deutschland) – zerrissene Figur zwischen bürgerlicher Welt und innerem Chaos
• Black Swan (Film, USA) – Balletttänzerin tanzt sich in den Wahn im Streben nach Perfektion
• Antichrist (Film, Dänemark) – Paar verarbeitet Trauer – zwischen Wahn, Gewalt und Naturmystik
Buddies / Odd Couple ^
Das Buddies- oder Odd-Couple-Modell erzählt von zwei gegensätzlichen Figuren, die durch äußere Umstände zu einem unfreiwilligen Team werden. Trotz (oder gerade wegen) ihrer Unterschiede geraten sie zunächst in Konflikt, müssen sich aber gemeinsam Herausforderungen stellen – was sie schließlich zusammenschweißt.
Storykurve: Die Geschichte erzählt häufig einen Fall & Aufstieg: Nach einer Phase der Ablehnung, Trennung oder des Scheiterns entsteht eine echte, tiefgehende Bindung.
Erzählerischer Bogen: Die Geschichte beginnt mit der Einführung zweier konträrer Figuren, die unfreiwillig aufeinandertreffen – etwa durch Job, Reise oder Notlage. Anfangs kommt es zu Missverständnissen, Reibungen und Konflikten. Doch während die beiden gemeinsam Hindernisse überwinden, lernen sie voneinander, wachsen über sich hinaus und entwickeln Respekt oder Zuneigung. Ein Zerwürfnis oder Scheitern (häufiger Tiefpunkt) führt oft zur Trennung – bevor eine Einsicht, ein Opfermoment oder eine Krise die Versöhnung ermöglicht. Am Ende steht eine veränderte Beziehung – oft Freundschaft, manchmal stille Anerkennung.
Typische Anwendung / Genres: Komödie, Roadmovie, Actionfilm, Cop-Thriller oder herzerwärmende Feelgood-Filme. Auch in Animationsfilmen oder Serien sind Buddy-Konstellationen häufig. Geschichten über Buddies oder Odd-Couples feiern die Kraft der Freundschaft gegen alle Widerstände.
Themen: Thematisch stehen Gegensätze im Zentrum – Herkunft, Temperament, Weltanschauung. Die Geschichten feiern das Überwinden von Vorurteilen, das Entdecken unerwarteter Gemeinsamkeiten und das Wachsen aneinander. Es geht um Toleranz, Loyalität, Nähe trotz Differenz.
Zentrale Tropes:
• Unlikely Friendship – Zwei, die eigentlich nicht zusammenpassen
• Opposites Attract (Non-Romantic) – Reibung erzeugt Nähe
• Reluctant Partners – Sie wollen nicht, müssen aber zusammenarbeiten
• Road Trip Bonding – Gemeinsame Reise als Weg zur Annäherung
• Breakup – Makeup – Trennung und Wiedervereinigung
• The Stoic and the Emotional – eine klassische dynamische Paarung
• One Teaches the Other – Lernen am Gegenüber
• Small Acts of Loyalty – die Beziehung wächst durch Taten, nicht Worte
• Fish Out of Water x2 – beide Figuren sind in der Situation überfordert
• Bromance – (oft) männlich codierte Freundschaft mit Gefühl
Beispiele:
• Indien (Theaterstück & Film, Österreich) – zwei ungleiche Männer auf Dienstreise nähern sich menschlich an
• Rain Man (Film, USA) – Yuppie entdeckt in seinem autistischen Bruder Empathie und Verantwortung
• Léon – Der Profi (Film, Frankreich) – wortkarger Auftragskiller und frühreifes Mädchen wachsen zu ungewöhnlichem Gespann zusammen
• Ziemlich beste Freunde (Autobiograaphie & Film, Frankreich) – unerwartete Freundschaft zwischen Pfleger und Querschnittsgelähmtem
• Green Book (Film, USA) – Roadtrip zweier Männer über Rassengrenzen hinweg
• Toy Story (Animationsfilm, USA) – Cowboy und Space-Ranger lernen Freundschaft
Heist / Coup ^
Das Heist- oder Coup-Modell erzählt von der Planung und Durchführung eines riskanten Coups – meist eines Diebstahls oder einer spektakulären Täuschung. Im Zentrum steht eine Figur oder ein Team, das mit Intelligenz, Täuschung und Improvisation ein System überlistet.
Storykurve: Die Story folgt in der Regel einem reinen Aufstieg: Von der Idee über die Planung bis zum wagemutigen Coup wird Spannung kontinuierlich gesteigert, oft gipfelnd in einem cleveren Twist.
Erzählerischer Bogen: Der Bogen beginnt mit einem lukrativen Ziel und einer unmöglichen Herausforderung. Ein Team wird zusammengestellt – oft mit Spezialisten, deren Talente sich ergänzen. Während der Plan reift, entstehen Konflikte, Zweifel oder verdeckte Motive. Der Coup beginnt meist exakt zur Halbzeit der Geschichte. Unerwartete Wendungen oder Zeitdruck zwingen zur Improvisation, die Spannung steigt. Am Ende gelingt der Coup – oder scheitert spektakulär. Oft folgt ein letzter, überraschender Trick, der das Ganze in ein neues Licht rückt.
Typische Anwendung / Genres: Gaunerkomödie, Thriller oder Ensemble-Filme. Besonders beliebt in Serien oder als Mehrteiler, wenn komplexe Pläne über Episoden hinweg aufgebaut werden.
Themen: Thematisch geht es um Täuschung, Risikobereitschaft, Teamgeist und das Aushebeln von Machtstrukturen. Oft steht ein System (Bank, Konzern, Staat, Gangsterboss) sinnbildlich für Ungerechtigkeit – und der Coup wirkt wie eine ausgleichende Gerechtigkeit. Die Figuren sind selten moralisch makellos, wirken aber charismatisch und sympathisch.
Zentrale Tropes:
• Der große Coup – Planung und Durchführung eines genialen Plans
• Zusammengewürfelte Truppe – Spezialisten mit Ecken und Kanten
• Der Maulwurf – Eine Figur spielt ein doppeltes Spiel
• Plan Goes Wrong – Unvorhergesehene Komplikationen zwingen zur Improvisation
• Doppeltes Spiel – Twist durch Verrat oder Perspektivwechsel
• Letzter Trick – Die letzte Wendung klärt alles auf
• Montage des Plans – Der Plan wird parallel zur Ausführung erklärt
• Einer fehlt immer – Der Außenseiter im Team ist der Schlüssel
• Charismatische Kriminelle – Figuren zwischen Gaunerehre und Selbstzweck
Beispiele:
• Snatch (Film, UK) – Kleinkriminelle, Boxer, Gangster und ein Diamantdieb stolpern durch einen wilden Heist um einen gestohlenen Riesendiamanten
• Ocean’s Eleven (Film, USA) – charmanter Ensemble-Coup gegen ein Casino
• The Italian Job (Film, USA/UK) – Rache und Teamwork bei einem Goldraub
• Inside Man (Film, USA) – raffinierter Banküberfall mit moralischem Motiv
• Lupin (TV-Serie, Frankreich) – moderner Meisterdieb im Stil von Arsène Lupin
• Logan Lucky (Film, USA) – zwei Brüder planen mit einer skurrilen Crew einen genial-chaotischen Raub während eines Rennens
• Haus des Geldes / La Casa de Papel (TV-Serie, Spanien) – politisch aufgeladener Coup auf die spanische Zentralbank
Rache ^
Das Rache-Modell erzählt von einer Figur, die durch ein schweres Unrecht oder einen tiefen Verlust erschüttert wird und sich entschließt, Vergeltung zu üben.
Storykurve: Die Geschichte zeichnet typischerweise einen Fall – Aufstieg – Fall nach: Die Figur wird verletzt oder zerstört, richtet sich auf, wird zur Rächerin oder zum Rächer – und zahlt dafür einen hohen Preis.
Erzählerischer Bogen: Der Bogen beginnt mit einem traumatischen Verlust oder einer brutalen Ungerechtigkeit. Die Figur fällt aus ihrem alten Leben heraus und zieht sich zurück oder wird gebrochen. In der Phase des Wiederaufbaus entstehen Wut, Entschlossenheit und der Plan zur Vergeltung. Die Figur kehrt als verändertes Wesen zurück, beginnt mit der Rache – oft präzise, berechnend und gnadenlos. Doch die Handlung fordert Tribut: emotional, moralisch oder körperlich. Am Ende steht selten Erlösung – sondern Leere, Schuld oder neuer Schmerz.
Typische Anwendung / Genres: Thriller, Western, Kriegsfilm, Drama oder düstere Historienfilme. Das Modell eignet sich besonders für narrative Stoffe mit klarer Täter-Opfer-Dynamik, aber auch für moralisch ambivalente Charakterstudien.
Themen: Thematisch geht es um Gerechtigkeit, Selbstjustiz, moralische Grenzüberschreitungen und das Spannungsfeld zwischen Vergeltung und Vergebung. Oft stellt sich die Frage, ob Rache heilt – oder ob sie zerstört, was noch übrig war.
Zentrale Tropes:
• Racheengel – Figur wird zur personifizierten Vergeltung
• Auge um Auge – Eskalation von Gewalt als „Gerechtigkeit“
• Keine Gnade – der Weg der Figur ist kompromisslos
• The Monster Within – Rache verwandelt die Figur
• Plan der Vergeltung – Lang geplante, raffinierte Rache
• Disguise and Return – Figur kehrt in veränderter Form zurück
• Letzter Moment der Menschlichkeit – Zweifel oder Gnade vor dem finalen Schlag
Beispiele:
• Der Graf von Monte Christo (Roman, Frankreich) – zu Unrecht inhaftierter Mann kehrt unter neuer Identität zurück und zerstört seine Feinde – bis ihn Zweifel und Reue einholen
• Taxi Driver (Film, USA) – vereinsamter Veteran wird zum selbsternannten Rächer
• Gladiator (Film, USA/UK) – Feldherr wird von Kaiser verraten, verliert Familie und Rang, wird versklavt – und rächt sich, indem er sich als Gladiator bis ins Kolosseum zurückkämpft, den Kaiser tötet und dabei selbst stirbt, um dem römischen Volk Freiheit und Gerechtigkeit zu ermöglichen
• Der talentierte Mr. Ripley (Roman & Film, USA) – junger Außenseiter übernimmt nach einem Mord die Identität eines reichen Mannes, wird immer tiefer in Lügen, Selbsttäuschung und Wahnsinn verstrickt und verliert sich dabei selbst
• Kill Bill (Film, USA) – Frau überlebt Massaker bei eigener Hochzeit, jagt ihre ehemaligen Peiniger und bringt sie nacheinander grausam zur Strecke
Whydunit ^
Das Whydunit-Modell erzählt nicht vom klassischen „Wer war’s?“, sondern rückt das „Warum ist es passiert?“ ins Zentrum. Der Täter ist oft früh bekannt oder weniger wichtig. Statt der Tätersuche geht es um die psychologische, soziale oder emotionale Entschlüsselung einer Tat oder eines Schicksals.
Storykurve: Die Struktur ist meist fragmentiert, mit Rückblenden, Perspektivwechseln oder verschachtelten Erzählungen.
Erzählerischer Bogen: Der Bogen beginnt häufig mit einem Ereignis – ein Mord, ein Unglück, ein Verschwinden. Die Figur, oft ein Ermittler oder eine Nahestehende, geht auf eine Spurensuche, bei der immer neue Facetten der Vergangenheit offengelegt werden. Die Wahrheit ist verschüttet, emotional aufgeladen oder bewusst verdrängt. Die Auflösung bringt keine triumphale Gerechtigkeit, sondern oft bittere Erkenntnis, persönliche Konsequenzen oder tragische Ironie.
Typische Anwendung / Genres: Neo-Noir, Psychothriller, Mysterydrama oder düstere Charakterstudien. Das Modell eignet sich besonders für komplexe Figurenkonstellationen und Stoffe, bei denen psychologische Tiefe wichtiger ist als äußere Spannung.
Themen: Wahrheitssuche, Erinnerung, Schuld, Verdrängung, Trauma, Rache, Obsession, familiäre oder gesellschaftliche Geheimnisse, moralische Ambivalenz – oft mit melancholischem oder fatalistischem Unterton. Der Whydunit verhandelt die psychologische Motivation für die Tat und reflektiert dabei auch kritisch die Rolle der Gesellschaft.
Zentrale Tropes:
• The Past Is Not Dead – Die Vergangenheit wirkt ins Jetzt
• Obsessed Detective – Ermittler ist selbst emotional verstrickt
• Tragische Ironie – Die Wahrheit tut weh
• Rekonstruktion eines Lebens – Fragmentarische Rückblicke
• Unzuverlässiger Zeuge – Wahrnehmung wird infrage gestellt
• Motive statt Täter – Das Warum ist erschütternder als das Wer
• Die Maske fällt – Enthüllung eines wahren Ichs hinter der Fassade
Beispiele:
• Chinatown (Film, USA) – Privatdetektiv deckt einen Sumpf aus Inzest, Machtmissbrauch und Wasserkorruption auf – und muss erkennen, dass Gerechtigkeit in einem durch und durch verdorbenen System unmöglich ist
• Mystic River (Film, USA) – drei Kindheitsfreunde werden durch Mordfall wieder zusammengeführt – das „Warum“ führt zur Aufdeckung eines tief verdrängten Missbrauchstraumas, einem fatalen Verdacht und der Ermordung eines Unschuldigen
• Gone Girl (Roman/Film, USA) – als seine Frau verschwindet, wird ein Mann zum Verdächtigen – doch in Wahrheit hat sie ihr Verschwinden selbst inszeniert, um ihn für seinen Verrat zu bestrafen und die Kontrolle zurückzugewinnen
Systemisch ^
Das systemische Modell erzählt von Figuren, die in einem größeren, oft undurchschaubaren Gefüge aus Regeln, Machtstrukturen oder kulturellen Normen gefangen sind. Im Gegensatz zur klassischen Heldenreise geht es hier nicht um individuelle Selbstverwirklichung, sondern um das Ringen mit oder gegen ein System – sei es Schule, Justiz, Politik, Bürokratie oder Familie.
Storykurve: Die Erzählweise ist häufig fragmentiert, multiperspektivisch und bietet keine einfachen Lösungen.
Erzählerischer Bogen: Die Geschichte startet meist mit einer scheinbar kleinen Unstimmigkeit, einem Regelbruch oder einem moralischen Konflikt. Die Figur wird in ein Geflecht aus Erwartungen, Hierarchien und Dynamiken hineingezogen. Je mehr sie versucht, etwas zu verändern oder aufzudecken, desto klarer wird das Ausmaß der systemischen Verstrickung. Am Ende steht oft kein Sieg, sondern ein ambivalenter Zustand: resignatives Scheitern, ein kleiner Fortschritt oder ein persönlicher Bruch mit dem System.
Typische Anwendung / Genres: Politdrama, Gesellschaftssatire, Internatsdramen, Arthouse- oder Festivalfilme, aber auch dokumentarisch inspirierte Stoffe. Besonders geeignet ist dieses Modell für Werke mit gesellschaftlichem Anspruch oder kritischer Haltung gegenüber Macht und Institutionen.
Themen: Macht, Verantwortung, Normen, Korruption, Gruppendruck, Systemkritik, Gefangensein des Menschen in Strukturen und Zuständen, institutionelles Versagen oder der moralische Preis von Anpassung. Oft verschwimmen Täter- und Opferrollen.
Zentrale Tropes:
• Das System ist der Feind – der wahre Gegner ist eine Institution
• Institutionelles Versagen – Regeln schützen nicht, sie entmenschlichen
• Whistleblower – Figur wird zur Störgröße
• David gegen Goliath – Kampf des Einzelnen gegen Übermacht
• Verbotene Liebe – als Bruch mit Regeln eines rigiden Systems
• Kafkaesker Albtraum – Regeln und Abläufe sind unbegreiflich
• Ambivalentes Ende – kein klarer Sieg, aber persönliches Zeichen
Beispiele:
• 1984 (Roman & Film, UK) – Totalitarismus und Überwachung als systemische Bedrohung
• Erin Brockovich (Film, USA) – alleinerziehende Frau deckt Umweltverbrechen eines mächtigen Unternehmens auf
• The Wire (TV-Serie, USA) – multiperspektivisches Porträt eines städtischen Teufelskreises
• Die Welle (Roman & Film, Deutschland) – Experiment, wie schnell sich ein System radikalisieren kann, eskaliert
• Spotlight (Film, USA) – Enthüllung kirchlicher Machtstrukturen
• Das Lehrerzimmer (Film, Deutschland) – moralisches Dilemma innerhalb der Zwänge des Schulsystems
QǐChéngZhuǎnHé ^
Das QǐChéngZhuǎnHé-Modell (起承转合) beschreibt eine sehr bekannte asiatische Vier-Akt-Struktur, in der Spannung weniger aus direktem Konflikt entsteht, sondern aus thematischer Entfaltung, überraschender Bedeutungsverschiebung und einer abschließenden Harmonisierung. Im Zentrum stehen Wahrnehmung, Rhythmus, Motive und Resonanz – nicht zwingend Sieg oder Niederlage. Dabei folgt die Erzählung dem Blick der Figur auf Details, Stimmungen, Routinen oder Sinnzusammenhängen: Das, worauf sie ihre Aufmerksamkeit richtet, verleiht der Erzählung Spannung und Bedeutung. Die Geschichte lebt von den kleinen Beobachtungen und davon, was die Figur in ihnen sieht.
Storykurve: Der Bogen verläuft als Einführung (Qǐ) → Entfaltung (Chéng) → Wende (Zhuǎn) → Zusammenführung (Hé). Statt linearer Eskalation entsteht Sog durch Neugier und Musterbildung:
• Qǐ etabliert Welt und Thema.
• Chéng vertieft Beziehungen und Motive.
• Zhuǎn überrascht mit einem Perspektiv- oder Bedeutungswechsel (oder mit einem semantischen „Kniff“).
• Hé verbindet die Elemente und Motive zu einem sinnfälligen, stimmigen Schlussbild.
Dabei kann die Vier-Akt-Struktur QǐChéngZhuǎnHé nicht nur einmal über die ganze Geschichte gelegt werden, sondern innerhalb jedes Hauptakts noch einmal rekursiv, also in sich selbst, wieder vorkommen – wie eine „Geschichte in der Geschichte“ mit demselben Muster.
Erzählerischer Bogen: Die Geschichte beginnt mit einer ruhigen Setzung (Qǐ) von Ton, Ort und Routinen. In Chéng entfalten sich Figurenkonstellationen und Motive ohne Zwang zur Konfrontation. In Zhuǎn verschiebt ein überraschendes Ereignis oder ein Blickwechsel die Bedeutung des zuvor Gezeigten. Hé führt Fäden, Motive und Sinnlinien zusammen – harmonisch, tragisch oder offen –, häufig mit Rückbezug auf ein Anfangsmotiv.
Typische Anwendung / Genres: Slice-of-Life, Coming-of-Age, poetische Fantasy, Animationsfilm, Arthouse-Drama, essayistische oder symbolische Stoffe, Tanz/Oper/Performance. Ideal für Material, das Atmosphäre, Thema und Bedeutungswandel über Konfrontation stellt.
Themen: Wahrnehmung & Bedeutung, Zyklus & Wandel, Erinnerung & Identität, Natur & Ritual, Sinnstiftung, Resonanz statt Sieg, Harmonie nach der Verschiebung.
Zentrale Tropes:
• Alltag als Bühne – Routinen und kleine Gesten tragen die Bedeutung
• Flanierende Hauptfigur – Erkundung ohne klares Ziel, Entdecken statt Jagen
• Perspektiv-Flip – eine Information/Wendung stellt alles zuvor Gesehene um
• Symbol-Anker – ein wiederkehrendes Bild verändert seine Bedeutung bis zum Finale
• Rückkehr mit neuen Augen – Schlussbild spiegelt den Anfang, aber „verwandelt“
Beispiele:
• Eat Drink Man Woman (Film, Taiwan) – Witwer und Meisterkoch ringt mit seinen drei Töchtern zwischen Tradition, Liebe und Selbstbestimmung, bis deren unerwartete Lebensentscheidungen die Familienrollen umkehren
• Prinzessin Mononoke (Film, Japan) – Junger Krieger gerät in den Konflikt zwischen Naturgeistern und Industrialisierung, erkennt jedoch, dass beide Seiten zugleich zerstörerisch und würdig sind
• In the Mood for Love (Film, Hongkong) – zwei Nachbarn entdecken die Affäre ihrer Partner und entwickeln eine stille Nähe, die den Verrat in eine unerfüllbare Sehnsucht verwandelt
• Chihiros Reise ins Zauberland (Film, Japan) – Mädchen gerät in magisches Badehaus, wo sich das vermeintliche Gefängnis als Ort ihrer Reifung und Selbstfindung entpuppt
• Spring, Summer, Fall, Winter… and Spring (Film, Südkorea) – Lebensphasen eines Mönchs spiegeln sich in den Jahreszeiten, deren Wiederkehr Wandel statt Stillstand offenbart
• Pulp Fiction (Film, USA) – verschachtelte Episoden über Gangster, Boxer und Kleinganoven, in denen Brutalität und Zufall überraschend Momente von Gnade und Sinn hervorbringen
• Die Vegetarierin (Roman, Südkorea) – Frau verweigert Fleisch, entfremdet sich von Familie und Realität; wechselnde Perspektiven enthüllen ihren Zerfall und verwandeln eine stille Rebellion in symbolische Befreiung
• Ponyo (Film, Japan) – Goldfischmädchen verlässt das Meer, verwandelt sich in ein Mädchen und bringt Natur ins Chaos, das sich schließlich durch Liebe in Balance wandelt
• Drive My Car (Film, Japan) – Theaterregisseur verarbeitet den Verlust seiner Frau und entdeckt in den Proben, dass die Bühne zum Spiegel innerer Heilung wird
• Parasite (Film, Südkorea) – arme Familie erschleicht sich Zugang zu reicher Familie, bis ihr scheinbarer Aufstieg in eine zerstörerische Falle umschlägt
• 3-Body-Problem (Roman & TV-Serie, China) – Wissenschaftlerin sendet Signal ins All und entfacht globale Kettenreaktionen, die den Fortschrittsglauben in kosmische Ohnmacht verkehren
Literaturempfehlungen
- DrehbuchWerkstatt München / Thau, Martin: Genres Themen Töne. Sonderdruck. München 2002.
- Kinder, Ralf; Wieck, Thomas: Zum Schreien komisch, zum Heulen schön. Die Macht des Filmgenres. Köln 2001.
- Knauss, Philipp: Die 11 Erzählkonzepte: Narration von Filmen entwickeln und verstehen. 2020.
- Murdock, Maureen: The Heroine’s Journey: Woman’s Quest for Wholeness. 2020 / Der Weg der Heldin. Eine Reise zur inneren Einheit. 1999.
- Reagan, A. J., Mitchell, L., Kiley, D., Danforth, C. M., & Sheridan Dodds, P. (2016). [The emotional arcs of stories are dominated by six basic shapes] (https://doi.org/10.1140/epjds/s13688-016-0093-1). *EPJ Data Science*, *5*(1), 31.
- Pogrebna, G., Kleanthous, E., Panayides, A., & Christodoulou, G. (2018). [The data science of Hollywood: Using emotional arcs of movies to drive business model innovation in entertainment industries] (https://arxiv.org/abs/1807.02221). *arXiv preprint arXiv:1807.02221*.
- Tobias, Ronald B.: 20 Master Plots: And How to Build Them. Cincinnati 2012. / 20 Masterplots – Die Basis des Story-Building in Roman und Film. 2016.
- Truby, John: The Anatomy of Genres: How Story Forms Explain the Way the World Works. New York 2022.
- Vorontzov, Dimitri: Qi Cheng Zhuan Jie (起承轉結): The Chinese Four-Act Screenplay Structure. In: Script Magazine, 2020. (https://scriptmag.com/screenplays/qi-cheng-zhuan-jie-the-chinese-four-act-screenplay-structure-part-1 /
https://scriptmag.com/screenplays/qi-cheng-zhuan-jie-the-chinese-four-act-screenplay-structure-part-2)


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