Formale Drehbuchstandards
Hollywood hat eine „Drehbuch-Grammatik“ entwickelt, die die Rezeption eines Drehbuchs so klar wie möglich machen soll:
Als Schrifttyp sieht der amerikanische Standard Courier 12-Punkt bei einem Zeilenabstand von 1,0 vor. Historisch hängt dies damit zusammen, dass Courier der Standard-Schriftsatz für Schreibmaschinen war. Der damit verbundene Vorteil besteht darin, dass Courier als Monospace-Font eine nichtproportionale Schriftart darstellt, wonach zehn Anschläge ein horizontales Zoll und sechs Zeilen ein vertikales Zoll ergeben. Da jeder Buchstabe gleich viel Platz einnimmt, kann auf diese Weise die tatsächliche Länge eines Drehbuchs direkt von der Seitenzahl abgeleitet werden. Ist ein Drehbuch nach den formalen Standards verfasst, so entspricht eine Drehbuchseite durchschnittlich etwa einer Minute im Film. Dies ist jedoch nur als Richtwert zu verstehen. In der Praxis benötigen beispielsweise Seiten mit wenig Dialog mehr, dialoglastige Seiten dagegen weniger Zeit als eine Minute.
Eine weitere formale Vorgabe, die aus der Zeit stammt, als Drehbücher noch mit der Schreibmaschine verfasst wurden, besteht darin, dass nur jene Formatierungsfunktionen verwendet werden dürfen, die bei einer Schreibmaschine zur Verfügung standen. Demnach wird der gesamte Drehbuchtext linksbündig gelayoutet. Für Hervorhebungen sind nur Blockschrift oder Unterstreichung zulässig, nicht jedoch fett, kursiv, farbig oder markiert.
Ferner gilt für alle Drehbuchelemente, dass auf Worttrennungen verzichtet und alle Wörter ausgeschrieben werden sollten, auch Zahlwörter oder Uhrzeiten. Ausnahmen sind krumme mehrstellige Zahlen wie z.B. Jahreszahlen.
Eine Szenenüberschrift besteht aus Angaben zum Schauplatz und zur Tageszeit:
- Der internationale Standard für die Darstellung einer Szenenüberschicht ist: INNEN. SCHAUPLATZ – TAG ). In Deutschland ist dagegen oft noch diese Darstellung gebräuchlich: SCHAUPLATZ INNEN/TAG.
- Die Angabe INNEN bzw. AUSSEN bezieht sich auf den Standpunkt der Kamera.
- Die Angabe einer Tageszeit bezieht sich auf die „sichtbare“ Zeit. Als Optionen stehen daher nur TAG, NACHT oder DÄMMERUNG zur Verfügung. Darüberhinaus hat die Autorin die Möglichkeit, die Zeitangabe zu spezifizieren, etwa wenn es sich um einen Flashback handelt.
- Die Angabe des Schauplatzes besteht oftmals aus zwei Teilen: dem allgemeinen und dem konkreten Schauplatz:
Wenn die zweite Angabe die erste präzisiert, werden beide durch Schrägstrich (/) miteinander verbunden, z.B. WOHNUNG / SCHLAFZIMMER.
Wenn beide Schauplätze einen unterschiedlichen Charakter aufweisen, wird zuerst der konkrete Schauplatz und dahinter der generelle Schauplatz genannt. Beide sind durch einen Gedankenstrich (–) voneinander getrennt, z.B. AUTO – LANDSTRASSE. - Ab einem gewissen Stand der Drehbuchentwicklung ist es üblich und praktikabel, die Szenenüberschriften durchzunummerieren.
Im angloamerikanischen Standard gibt es neben Szenenüberschriften (‘Primary Sluglines’ bzw. ‘Master Scene Headings’) auch Überschriften zweiter Ordnung, sogenannte ‘Secondary Headings’. Diese unterteilen (längere) Szenen in Situationen und benennen nur den konkreten Bildausschnitt. Der praktische Nutzen von Secondary Headings besteht darin, kleinere Einheiten zu erhalten und Schauplätze konkreter zu fassen. Dadurch können Akzente gesetzt, Perspektivwechsel verdeutlicht oder Inserts herausgehoben werden.
Anders als das deutschsprachige System der Szenenüberschriften, das den Fokus auf das Separieren der einzelnen Szenen und Bilder legt, integrieren sich Secondary Headings also nahtlos in den Text. Anstatt abzugrenzen und zu ordnen, erzeugen sie Dynamik und schaffen einen Flow. Auch dem Einsatz einer beweglichen Kamera in Verbindung mit fließenden Schauplatzübergängen, bei denen die einzelnen Locations zusammenhängen, entspricht dieses organische System mehr als die einheitliche Einteilung in Bilder.
Für bestimmte Montagetechniken gibt es spezielle Szenenüberschriften bzw. Secondary Headings. Deren Ende wird jeweils explizit gekennzeichnet, z.B. ENDE DER MONTAGE.
Die Handlung des Drehbuchs wird im Aktions-Text beschrieben: Dieser umfasst alle Handlungen, die die Figuren innerhalb der Szene tun, einschließlich ihrer Bewegungen, Gesten, Mimik und jeglicher Interaktionen mit anderen Figuren oder Objekten. Diese Beschreibungen sind dynamisch und beziehen sich direkt auf die Handlungen, die auf der Leinwand zu sehen sein werden. Sie leiten oft zu Dialogen über oder ergänzen diese, indem sie den emotionalen oder physischen Zustand einer Figur vermitteln, der durch ihre Aktionen ausgedrückt wird. Die Aktions-Elemente sind entscheidend für das Vorantreiben der Geschichte und die Entwicklung der Figuren.
Demgegenüber beschreibt der Allgemein-Text die Szenerie, die Umgebung, das Setting oder die Atmosphäre, in der sich die Handlung des Films entfaltet. Er kann Informationen über die Tageszeit, das Wetter, die Inneneinrichtung eines Raums oder allgemeine Hintergrunddetails enthalten, die wichtig sind, um eine Szene zu kontextualisieren und audiovisuell vorzustellen. Der Zweck solcher allgemeinen Beschreibungen ist es, ein klares Bild davon zu vermitteln, wo und unter welchen Umständen die Szene stattfindet.
Um bestimmte Handlungselemente hervorzuheben, werden diese in Blockschrift, also in Großbuchstaben geschrieben:
- Figuren, die zum ersten Mal auftreten (auch üblich bei Exposé und Treatment)
- Geräusche, deren Quelle man nicht gleichzeitig sieht
- der Akt des Hörens
- handlungsrelevante Objekte, die unvermittelt auftauchen
- Szenenübergänge
- drehtechnische Angaben wie z.B. Kameraeinstellungen (sofern diese im Drehbuch aufgeführt werden)
An manchen Stellen kann es zulässig sein, die Handlung oder den Dialog nicht vollständig auszuführen, sondern die exakte Ausführung den Darstellern zu überlassen. In diesem Fall weist der Vermerk (AD LIB) – lateinisch ad libitum für ‘nach Belieben’ – den Schauspieler darauf hin, dass er innerhalb des Szenenkontextes nach eigenem Ermessen handeln oder sprechen kann.
- Jeder Dialog wird in einem eingerückten Block formatiert, der durch eine Freizeile oben und unten vom restlichen Text bzw. von anderen Dialogblöcken getrennt wird.
- Der Name der sprechenden Figur steht mittig in Großbuchstaben.
- Ist die sprechende Figur zwar in der Szene anwesend, jedoch im Moment des Sprechens nicht im Bildausschnitt zu sehen, so wird dies durch den Zusatz (O.S.) für off-screen oder (O.C.) für off-camera hinter dem Namen der Figur kenntlich gemacht.
- Handelt es sich um eine Erzählerstimme, die das Geschehen kommentiert, wird dies als Voice Over bezeichnet und der Name des Sprechers mit dem Zusatz (V.O.) versehen.
- Direkt unter dem Namen der sprechenden Figur folgt optional die Spielanweisung, die in runde Klammern gesetzt wird.
- Die Dialogsätze werden rechts und links eingerückt und nicht mit Anführungszeichen versehen.
- Wird ein Dialog auf der nächsten Seite fortgesetzt, so wird dies durch Zusatz (MORE) am Ende der Seite sowie (CONT’D) (Abkürzung für CONTINUED) am Anfang der nächsten Seite kenntlich gemacht.
- Wenn eine Figur ihren Dialog ohne Pause weiterspricht, jedoch eine Handlung zwischen den Dialogblocks eingefügt ist, wird ebenfalls der Vermerk (CONT’D) hinter dem Figurennamen des zweiten Dialogteils angebracht.
- Sollen Dialogsätze mit einer bestimmten Betonung gesprochen werden, so werden die zu betonenden Wörter unterstrichen. (Von dieser Option sollte nur Gebrauch gemacht werden, um falsche Interpretationen des Dialog auszuschließen – jedoch nicht, um dem Schauspieler die Intonation des Dialogs vorzugeben.)
- Spricht eine Figur ihren Satz nicht zu Ende, weisen Auslassungspunkte (…) darauf hin.
- Wird ein Dialog durch eine äußere Handlung unterbrochen, so wird dies durch zwei Gedankenstriche (—) kenntlich gemacht.
- Unterbricht eine Figur eine andere Figur, weist der Zusatz (INTER) (für INTERRUPTING) hinter dem Figurennamen darauf hin.
- Spricht eine Figur Dialekt oder hat sie einen Akzent, so ist es möglich, den Dialog entsprechend einzufärben. Dies sollte jedoch dezent erfolgen, um das Lesen des Dialogs nicht zu erschweren und den Schauspielern nicht die genaue Aussprache vorzugeben.
- Füll- oder Stammellaute sollten im Dialogtext vermieden werden, da diese eher die Interpretation des Dialogs durch den Schauspieler betreffen.
- Musiktexte oder Gedichte werden in den Dialogblock integriert, so dass bei einer neuen Strophe kein neuer Absatz beginnt. Stattdessen kennzeichnet ein Schrägstrich (/) das Ende einer Strophe.
- Auch SMS-Nachrichten oder Internetchats werden als Dialog formatiert. Ihnen geht die Angabe AUF DEM DISPLAY / MONITOR voraus, die anstelle der sprechenden Figur steht. Der Text wird in Anführungszeichen gesetzt.
Spielanweisungen sind kurze, in Klammern gesetzte Einschübe im Dialog einer Figur. Sie werden verwendet, um auf Aspekte hinzuweisen, die nicht aus dem Kontext ersichtlich sind. Sie sollten sparsam verwendet werden und dabei keine Eingriffe in die Inszenierung oder das Schauspiel darstellen.
Spielanweisungen sind keine ganzen Sätze, sondern sollten jeweils nur wenige Worte umfassen und nicht über zwei Zeilen hinausgehen. Längere Spielanweisungen sollten in den Handlungstext integriert werden.
Die Abkürzung „re“ („regarding“) wird in Spielanweisungen verwendet, um einen Bezug herzustellen, also um zu verdeutlichen, dass eine Aussage oder Reaktion auf eine bestimmte Sache oder Figur bezogen ist, z.B. (re Türschloss). Dies hilft, den Fokus der Handlung oder die Aufmerksamkeit der Figur klarer zu machen, ohne ausführliche Beschreibungen zu verwenden.
Spielanweisungen können sich beziehen auf:
- Ironie, z.B. (ironisch)
- Gemütszustände, z.B. (müde)
- Tätigkeiten der sprechenden Figur während ihres Dialogs, z.B. (wartend)
- den Adressaten des Dialogs, z.B. (zum Pförtner) oder (zu sich selbst)
- den Gegenstand oder die Person, auf den/die sich ein Dialog bezieht, z.B. (ihr neues Kleid meinend) / Gefällt es dir?
- das Überlappen oder Unterbrechen von Dialogen, z.B. (überlappend) bzw. (unterbrechend)
- eine Pause im Dialog: (Pause)
- eine andere Sprache, z.B. (auf französisch)
- eine mediale Kommunikation, z.B. (durch das Telefon)
Gibt es einen besonderen Übergang zwischen zwei Szenen, so kann dieser im Drehbuch angegeben werden. Dazu schreibt man die Art des Schnitts eingerückt am Szenenende, etwa CUT TO: bzw. SCHNITT AUF:.
Beispiele für markante Szenenübergänge sind ein pointierter Kick, eine Ellipse oder ein Cliffhanger. Kontrastierende Szenenübergänge entstehen z.B. durch Smash Cut oder Jump Cut. Weitere besondere Szenenübergänge stellen Auf-, Ab-, Über- oder Farbblende, Match Cut, Cross Cut oder Intercut dar.
„PRE LAP“ bedeutet wörtlich „vorausgehendes Überlappen“.
Der Begriff beschreibt, dass der Ton aus der nächsten Szene bereits kurz vor dem visuellen Szenenwechsel einsetzt und den Ton der folgenden Szene vorwegnimmt. Während auf der Bildebene noch die aktuelle Szene zu sehen ist, hört man bereits den Dialog, ein Geräusch oder Musik aus der nächsten Szene. Auf diese Weise überlappt der Ton den Bildschnitt.
Ein PRE LAP wird somit als Stilmittel eingesetzt, um eine flüssige oder kreative Verbindung zwischen zwei Szenen zu schaffen und den Übergang nahtloser oder dynamischer zu gestalten. Es vermittelt dem Zuschauer ein Gefühl von Kontinuität und kann Spannung, Vorahnung oder emotionale Intensität steigern.
Folgende Kombinationen von Drehbuchelementen sind als unzertrennliche Einheiten zu sehen und sollten daher nicht von einer Seite zur anderen umgebrochen werden:
- Szenenüberschrift und Handlungstext
- Sprechende Figur, Spielanweisung und Dialog
- Szenenübergang und vorhergehende Szene: Passt ein Szenenübergang nicht mehr auf eine Seite, so sollte er zusammen mit dem letzten Satz der vorhergehenden Szenen auf die folgende Seite geschrieben werden.
Passt ein Satz nicht mehr auf eine Seite, so sollte er komplett auf die nächste Seite geschrieben werden.
Entsteht durch das Verlegen eines Absatzes jedoch eine Lücke von mehr als einem Drittel der Seite, muss der Absatz dennoch getrennt werden. Wird eine Szene auf der nächsten Seite fortgesetzt, so wird dies durch den Zusatz CONTINUED kenntlich gemacht.
Literaturempfehlungen
- Cole, Hillis R. / Haag, Judith H.: The Complete Guide to Standard Script Formats, Part 1. 1980.
- Riley, Christopher: The Hollywood Standard: The Complete and Authoritative Guide to Script Format and Style. 2009.
- Schabenbeck, Martin: Das Drehbuch im Hollywoodformat. Heidelberg 2008.
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