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Serie

Serie

Die einzelnen Episoden einer Serie werden durch die Figuren, die Storyworld, die Schauplätze und das Thema zusammengehalten. Dabei gibt es zum einen ein übergeordnetes Gesamtthema (= das Thema der gesamten Serie) und zum anderen hat jede Episode ein anderes Episodenthema. Jede Episode braucht also neben dem Überthema der Serie ein eigenes Thema, das innerhalb dieser Episode verhandelt wird.
Dem Figurenensemble und der Storyworld kommt in einer Serie grundsätzlich eine größere Bedeutung zu als in einem Spielfilm. Die Frage ‚Was passiert als nächstes‘ ist in der Serie wichtiger als die Frage ‚Wie geht die Geschichte aus‘.

Zirkulär offene Serie ^

Eine zirkulär offene Serie, auch Endlosserie oder Procedural genannt, unterscheidet sich von einer abgeschlossenen Serie durch folgende Kennzeichen:

Typischerweise behandelt jede Episode einen neuen Fall (Fallstruktur), so dass sie in sich abgeschlossen ist. Das bedeutet, dass jede Episode quasi wieder von vorne anfängt. Der Endpunkt einer Episode ist demnach gleichzeitig der Ausgangspunkt einer (beliebigen) anderen Episode. Die Kreisdramaturgie der offenen Serie sorgt also dafür, dass die Handlung am Ende jeder Episode wieder an den ursprünglichen „Nullzustand“ der Serie zurückkehrt.

Dementsprechend entwickelt jede Episode ihren eigenen dramatischen Bogen (vertikale Storylines), während es keinen übergeordneten dramaturgischen Bogen (horizontale Storylines) für die gesamte Staffel oder Serie gibt.

Eine offene Serie kann eine potenziell unbegrenzte Anzahl an Episoden umfassen, sie kann also prinzipiell endlos sein. In ihrer Reihenfolge sind die einzelnen Episoden beliebig vertausch- bzw. verrückbar. Damit folgt die zirkulär offene Serie den Prinzipien der offenen Dramaturgie.

Ein typisches Beispiel für offene Serien sind Sitcoms.

Geschlossene Serie ^

Eine geschlossene Serie (engl. Serialized Series) zeichnet sich im Gegensatz zu einer zirkulär offenen Serie dadurch aus, dass die einzelnen Episoden aufeinander aufbauen. Ihre Reihenfolge ist demnach vorgegeben und kann nicht verändert werden. Die Serie wird geprägt von langlaufenden, episodenübergreifenden Erzählbögen, sogenannten horizontalen Storylines. Diese müssen aber zusammen keinen klassischen Storybogen bilden, also nicht eine Geschichte erzählen, sondern mehrere Geschichten innerhalb einer Storyworld. Die Storybögen können eine Episode, mehrere Episoden, eine Staffel oder die gesamte Serie umspannen. Die vertikale (episodeninterne) Struktur ist dabei jedoch genauso wichtig wie die horizontale (episodenübergreifende).

Somit bestehen geschlossene Serien über eine Vielzahl an parallel laufenden Storylines, deutlich mehr als eine zirkulär offene Serie. Das Ende einer Episode bildet lediglich einen Wendepunkt in der Gesamtgeschichte.

Die Storylines werden abwechselnd gezeigt, wobei sie sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden: Während eine Storyline neu einsetzt, haben andere Storylines schon in früheren Episoden begonnen und wieder andere Storylines neigen sich dem Ende zu.
Jede Episode und jede Werbeunterbrechung soll mit mindestens einem offenen, sich an einer spannenden Stelle befindlichen Handlungsfaden enden. Dieser dient als Cliffhanger, um die Zuschauer zum Ansehen der nächsten Episode zu bewegen, so dass ein Binge-Flow entsteht.

Anders als zirkulär offene Serien werden geschlossene Serien auf ein definiertes Ende hin geschrieben. Die Limitierung der Serie ist also von Anfang an angelegt. Damit beinhaltet eine geschlossene Serie gleichermaßen Elemente der offenen Dramaturgie wie auch der geschlossenen Dramaturgie.

Miniserie ^

Eine Form der geschlossenen Serie ist die Miniserie (engl. Mini Series / Limited Series).

Eine Miniserie ist in der Regel auf eine Staffel angelegt und am Ende fertig erzählt. Ein typisches Format für eine Miniserie sind 6 bis 8 Episoden á 45 bis 60 Minuten.

Insofern überwiegen bei einer Miniserie die Prinzipien der geschlossenen Dramaturgie. Dabei ist darauf zu achten, dass die einzelnen Episoden einen Eigenwert als eigenständige Einheiten besitzen. Dies unterscheidet die Miniserie von einem Mehrteiler, der quasi einen episch angelegten, in Teile geschnittenen Spielfilm darstellt. Im Mehrteiler dominiert also die horizontale Struktur, die sich über alle Folgen erstreckt, während die vertikale Struktur der einzelnen Folgen in den Hintergrund tritt.

Soap, Telenovela ^

Eine Mischform zwischen offener und geschlossener Serie stellt die Soap (Daily bzw. Weekly) oder Telenovela dar.

Die Storylines entwickeln sich in der Soap bzw. Telenovela nach einem festen Schema. Dabei werden sie in einem ABC-System definiert, so dass in der Regel drei Storylines (A, B, C) parallel erzählt werden, wobei auch immer ein Comedy-Strang dabei ist, der zur Auflockerung dienen soll.

Nach jeder Szene wechselt die Storyline, zunächst von A zu B zu C. Die weitere Reihenfolge des Wechsels entspricht einem Zopfmuster: ABC -> BCA -> CAB -> ABC. Ist eine Storyline zuende, setzt die nächste Storyline ein: ABC -> BCD -> CDE -> DEF -> EFG usw. Diese Technik der Verflechtung der einzelnen Storylines nennt man Zopfdramaturgie.

Das Setting einer Soap bzw. Telenovela ist vertraut, wiedererkennbar bzw. vergleichbar mit der eigenen Lebenswelt oder aber durch andere Filme, Serien etc. „erlernt“. Die Zuschauer kennen die entsprechenden Klischees also schon.

Reihe ^

Eine Reihe wird durch das Genre, den Stoff oder das Thema zusammengehalten. Im Unterschied zu einer Serie bildet eine Reihe aber keine zusammenhängende Handlung, sondern erzählt in den einzelnen Folgen verschiedene Geschichten, Figuren und Schauplätze.

Figuren ^

Serien sind – stärker als Filme – character-driven. Neben dem Figurenensemble gibt es Gastrollen, die nur in einer oder mehreren Episoden auftreten oder in unregelmäßigen Abständen auftauchen.

Hinsichtlich der Figuren gibt es zwei verschiedene Arten von Serien:

Die Lead-Character-Serie stellt eine eindeutige Hauptfigur in den Mittelpunkt des Erzählens. Der besondere (extreme) Charakter dieser zentralen Figur prägt die gesamte Serie. Die Ensemble-Serie, in der es mehrere gleichwertige Hauptfiguren gibt, wird dagegen primär durch die Storyworld geprägt.

Durch das Figurenensemble entsteht in einer Serie eine Vielfalt an Perspektiven und Sichtweisen. Dadurch ermöglichen Ensemble-Serien eine Multiperspektivität, die Einzelstücke nicht liefern können. Streng monoperspektivische Serien sind dagegen sehr selten.

Eine Lead-Character-Serie kann sich im Verlauf einer Staffel aber auch hin zu einer Ensemble-Serie öffnen. Die ursprüngliche Hauptfigur wird dann häufig zu einem Türöffner für die Storyworld und somit für die anderen Figuren.

Die Figuren einer Serie werden nicht alle gleichzeitig, sondern nach und nach etabliert: Beispielsweise werden zuerst nacheinander die Hauptfiguren bzw. das Hauptensemble vorgestellt und danach dann das jeweilige Umfeld jeder Hauptfigur.

Typische Ensembleformen der Serie sind:

  • Familie
  • Freunde
  • Arbeitskolleg:innen

Während in Einzelfilmen die Exposition die Funktion innehat, die Figuren vorzustellen, ist dies bei der Serie nicht zu Beginn jeder Episode nötig. Stattdessen erfolgt die Exposition der Figuren in der Regel nur einmalig im Serien-Piloten, also in der ersten, meist doppelt so langen Episode. Die weiteren Episoden können sich dann sofort auf den Figurenkonflikt konzentrieren. Anstoß und Plot-Point 1 passieren in einer Episode daher normalerweise früher als in einem filmischen Einzelwerk.

Serienfiguren müssen so komplex, vielschichtig und ambivalent angelegt sein, also aus sich heraus so interessant erscheinen, dass sie selbst ohne Geschichte erzählenswert wären. Denn nur dann kann man etliche Geschichten mit ihnen erzählen.

Dabei sollte jede Figur über ein großes Empathiepotential verfügen und charakterlich in der Lage sein, sowohl protagonistisch als auch antagonistisch zu handeln, also möglichst viele Archetypen in sich vereinen. Amoralisch handelnde Figuren werden vom Publikum in Serien viel besser akzeptiert, weil sie gleichzeitig immer auch positive bzw. faszinierende Charakterzüge haben.

Grundsätzlich soll jede Figur in einer Serie immer wieder neue, überraschende Facetten ihrer Persönlichkeit offenbaren. Dabei ist es hilfreich, möglichst jede Figur so anzulegen, dass sie ein oder mehrere Geheimnisse in sich trägt, damit diese dann im Laufe der Serie enthüllt werden können.

Gleichzeitig machen Serienfiguren im Unterschied zu Filmhelden im Prinzip keine oder kaum eine Veränderung durch bzw. wandeln sich nur in sehr begrenztem Maße.

In vielen modernen Dramaserien findet die charakterliche Wandlung der Hauptfigur bereits in der Pilotfolge statt oder sogar im „Off“ unmittelbar vor Beginn der Serienhandlung. In den weiteren Episoden macht die Hauptfigur dann keine charakterliche Entwicklung mehr durch. In diesen Dramaserien geht es also primär die bereits erfolgte Charakterwandlung der Figur freizulegen bzw. sich mit den Konsequenzen dieser Wandlung zu beschäftigen. Die einzelnen Episoden zeigen also, welches neue Potenzial in dieser Figur schlummert und nun aktiviert wird.

Struktur ^

Mit dem neuen Serienboom ist die Struktur bzw. das Format von Serien variabler und individueller geworden. Es gibt kaum mehr starre allgemeine „Strukturregeln“ für Serien, also wie viele Episoden eine Staffel haben muss, wie lange jede Episode sein muss, wie die Strukturierung der Episoden oder die Anordnung der Storylines erfolgen muss oder wann alle wichtigen Figuren spätestens eingeführt sein müssen. Stattdessen gibt es nun die künstlerische Freiheit, dass Episoden völlig unterschiedlich lang sein können, dass Erzählperspektiven wechseln können, dass man wichtige Figuren auch spät einführen (oder sterben lassen) kann oder eine anfangs sehr „kleine“ Figur unerwartet zur Hauptfigur einer Episode werden kann.

Je freier die formale Struktur einer Serie ist, desto wichtiger ist es jedoch, eine Serie thematisch „zusammenzuhalten“, also sicherzustellen, dass das Grund- bzw. Überthema der Serie in jeder Episode präsent ist. Zudem bedeutet das Fehlen fester allgemeiner Vorgaben keineswegs, dass moderne Serien keine klare Struktur hätten. Vielmehr ist es so, dass jede Serie ihre eigene Struktur hat, die in vielen Fällen sehr exakt definiert ist.

Während die Anzahl der Episoden pro Staffel oft auch eine Frage des Budgets ist – weshalb US-Serien meist längere Staffeln als deutsche Serien haben – ist die Länge der Episoden meist eine Frage des Seriengenres. So hat die Sitcom in der Regel deutlich kürzere Episoden (20 bis 25 Min.) als das Serial Drama (45 bis 60 Min.)

Akte stellen – anders als in Spielfilmen – keine primär narrative Einheit dar, sondern markieren die Werbeunterbrechungen.

Die eigentliche narrative Einheit im seriellen Erzählen sind Beats.

Pro Akt sind 5 bis 8 Beats üblich, so dass spätestens alle 2 Minuten ein neuer Beat kommt. Der erste Beat der Episode wird ‚Establisher‘ genannt, der letzte Beat jedes Aktes ‚Krise‘, der letzte Beat der Episode ‚Cliff‘ oder ‚Kiss-off‘.

Oft geben sich die Entwickler von Serien auch eine bestimmte Anzahl von Beats pro Akt, pro Storyline oder pro Figur vor, um durch eine hohe Beat-Dichte einen dynamischen, wendungsreichen Erzählrhythmus sicherzustellen. Durch klare Actbreak- und Beat-Vorgaben ergibt sich für das Format einer Serienstaffel eine Art Matrix, bestehend aus beispielsweise 12 Episoden mit 4 Akten pro Episode und 6 Beats pro Akt:

Dadurch ergeben sich in diesem Beispiel 12 x 4 x 6 = 288 Beats pro Staffel.

Diese Matrix kann ein überaus hilfreiches Tool der Serienentwicklung v.a. in der Phase des Plottens sein, wobei natürlich hier umso mehr der Grundsatz gilt: „Know the rules – and break them!“

Serienkonzept ^

Ein Serienkonzept, das bei Produzenten, Streamingplattformen, Filmförderungen oder Sendern eingereicht wird, ist in der Regel 10 bis 20 Seiten lang und besteht aus:

Serienbibel ^

Alle Informationen über eine Serie werden in einer Serienbibel gebündelt. Diese dient beispielsweise dazu, dass sich neu engagierte Drehbuchautor:innen über die bisherige Handlung und die Vorgeschichten der einzelnen Figuren informieren können. Die Serienbibel umfasst:

Writers’ Room ^

Mit ‚Writers’ Room‘ wird ein Konzept (und ein Raum) bezeichnet, bei dem mehrere Autor:innen zusammen in spielerisch-kreativer und sportlich-produktiver Arbeitsatmosphäre eine Serie plotten und schreiben. Ursprünglich stammt das Konzept des Writers’ Rooms aus den USA, mittlerweile wird es aber weltweit praktiziert.

Die Arbeit im Writers’ Room fängt in der Regel erst dann an, wenn das Konzept und die Hauptfiguren der Serie schon entwickelt sind. Außerdem empfiehlt es sich, dass die horizontalen Storylines bereits durch den Headwriter vorgeplottet sind.

Zugelassen für den Writers’ Room sind nur Autor:innen bzw. Kreative, die sich schreibend an der Serienentwicklung beteiligen. Produzenten, Redakteure oder Regisseure, die nicht selbst an den Episoden mitschreiben, haben dagegen keinen Zutritt. Damit stellt der Writers’ Room einen geschützten Ort für die Autor:innen dar, in dem sie ihren Ideen freien Lauf lassen können, ohne Tabus oder Angst, kritisiert zu werden.

Mitglieder des Writers’ Rooms sind:

  • Der Showrunner bzw. Headautor ist meist der Schöpfer (Creator) der Serie und demzufolge die maßgebliche kreative Instanz sowie voll verantwortlich für die Entwicklung und Organisation der Serie. Sie/Er ist Manager, Autor (und im Fall des Showrunners auch noch Executive Producer) in einem und muss außer im Writers’ Room auch gleichzeitig am Set und im Schneideraum präsent sein. Wenn dies in Personalunion nicht leistbar ist, hat der Showrunner einen Stellvertreter, genannt „Number 2“.
  • Je nach Größe des Writers‘ Rooms zwei bis zehn Autor:innen (Story Editors). Bewährt hat sich dabei eine Mischung aus Stammautor:innen (Staff Writers bzw. Autor:innen, mit denen der Showrunner bereits gearbeitet hat) und Nachwuchsautor:innen (Baby Writers), die dadurch gleichzeitig ganz praktisch ausgebildet werden. Während es etwa bei Soaps eine strikte Aufgabenteilung zwischen Headautor, Storylinern und Dialogautor:innen gibt, sind die Autor:innen bei High-End-Dramaserien meist am gesamten Prozess beteiligt, also beim Plotten, Schreiben und Rewrite. Alle kreativen Entscheidungen liegen aber allein beim Showrunner bzw. Headautor.
  • Ein/e Assistent/in (Writers’ PA), der/die alle Ideen und Gedanken sammelt, ordnet, protokolliert und täglich verschickt, zwischen den Autor:innen kommuniziert und Recherchen übernimmt.

Der Unterhalt eines Writers’ Rooms auf Angestelltenbasis ist natürlich wesentlich kostenintensiver als einzelne Autor:innen auf Werkbasis zu engagieren. Um die Kosten zu verringern, wird die Anzahl der Autor:innen reduziert oder der Writers’ PA eingespart.

Räumlich gesehen besteht der Writers’ Room in der Regel aus dem Showrunner-Büro, Schreibräumen (meist für je zwei Autor:innen) und vor allem einem großen Konferenzraum mit viel Platz an den Wänden für das Staffelboard, die Episoden- und Moodboards, Schauspieler- und Motivfotos, Szenenbild- und Kostümskizzen sowie „Requisiten“ wie Playmobilfiguren etc.

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